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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Herr selbst, in priesterlichem Gewand Wache.
    Dichter Wald umgab uns, der mit der sich schälenden Rinde an den Baumstämmen und den dicht belaubten, staubigen Zweigen wunderbar realistisch wiedergegeben war. Man glaubte, sich die Finger benetzen zu können, so natürlich wirkte das Wasser des Flüsschens, und mein eigenes Abbild schien arglos und traumverloren, der Mund sehr natürlich halb geöffnet und die Stirn offensichtlich von quälenden Träumen verdüstert.
    In einem Anfall von Wut schleuderte ich es auf den Boden, damit die Farben verschmierten.
    Warum hatte er nicht gesprochen? Warum zwang er mir diese Erfahrungen auf, die doch nur einen Graben zwischen uns aufwarfen? Warum dieser Zorn auf mich, obwohl ich nur getan hatte, was er mir befahl? Ich fragte mich, ob er mit diesen Bordellbesuchen meine Unschuld hatte auf die Probe stellen wollen, und seine Ermahnungen, das alles zu genießen, nur Lügen waren.
    Ich setzte mich an sein Pult, nahm die Feder auf und kritzelte hastig eine Nachricht für ihn.
    »Ihr seid mein Herr. Ihr solltet allwissend sein. Es ist unerträglich, von jemandem beHERRscht zu werden, der es nicht tun kann. Gib die Richtung vor, Hirte, oder lege deinen Stab nieder.« Tatsächlich war ich ausgelaugt von all den Genüssen, vom Trinken und davon, dass meine Sinne völlig überreizt waren, und ich sehnte mich nur nach ihm, nach seiner Führung und nach der Versicherung, dass ich ihm gehörte. Doch er war fort.
    Ich ging aus und schweifte umher. Ich verbrachte den ganzen Tag in den Tavernen mit Trinken und Kartenspiel, mit voller Absicht verrührte ich die hübschen, leichtfertigen M ädchen, damit sie während der diversen Glücksspiele an meiner Seite blieben.
    Als dann die Nacht hereinbrach, ließ ich mich meinerseits verführen halbwegs - von einem betrunkenen Engländer, hellhäutig und sommersprossig, ein Adeliger mit den ältesten französischen und englischen Titeln. Er nannte sich hier Earl of Harlech, und er war hergekommen, um all die Wunder Italiens zu sehen, und er war vollkommen berauscht von den vielfältigen Vergnügungen, wozu für ihn auch spezielle sexuelle Praktiken zählten.
    Natürlich fand er, dass ich ein schöner Knabe war. Fand das nicht jeder? Er selbst war auch nicht gerade hässlich. Selbst die blassen Sommersprossen wirkten irgendwie hübsch, besonders zu seinem auffällig kupferfarbenen Haarschopf.
    Er nahm mich mit zu seiner Wohnung in einem überfüllten, schönen Palazzo und schlief mit mir. Es war gar nicht schlecht. Mir gefiel seine Naivität und Ungeschicklichkeit. Seine runden, wasserblauen Augen blickten freundlich, und er hatte herrlich muskulöse Arme und einen gepflegten, aber köstlich rauen, orangeroten Spitzbart.
    Er schrieb lateinische und französische Gedichte für mich, und trug sie mit viel Charme vor. Nach ein oder zwei Stunden, in denen er den rohen Bezwinger gespielt hatte, rückte er damit heraus, dass er sich gern von mir nehmen lassen wollte. Und das habe ich sehr genossen. Danach ergötzten wir uns noch eine ganze Weile lang so - ich spielte den siegreichen Söldner, und er war das unterlegene Opfer der Schlacht, und manchmal schlug ich ihn dann ganz leicht mit einem doppelt gelegten Lederriemen, ehe ich ihn nahm. Das versetzte uns beide in eine ordentliche Erregung.
    Zwischendurch erprobte er immer wieder seine Überredungskünste an mir, denn ich sollte ihm sagen, wer ich wirklich war und wo er mich später finden konnte, aber darauf legte ich natürlich keinen Wert. Ich blieb drei Nächte bei ihm, er erzählte mir von den Merkwürdigkeiten des Inselreichs England, und ich las ihm italienische Dichtung vor oder spielte sogar auf der Mandoline und sang ein paar von den sentimentalen Liebesliedern, die ich kannte.
    Er lehrte mich eine Menge ziemlich derbes Gossenjungen-Englisch und wollte mich mit heim zu sich nach England nehmen. Er müsse langsam seinen Verstand wieder zusammennehmen, sagte er. Er müsse zu seinen Pflichten zurückkehren, zu seinen Ländereien und zu seinem verhassten, unanständigen, ehebrecherischen schottischen Weib, deren Vater ein Attentäter war. Und er hatte ein unschuldiges kleines Kind, bei dem er sich der Vaterschaft jedoch absolut sicher war, schon weil es das gleiche krause, kupferrote Haar hatte wie er.
    Er würde mich in London in einem großartigen Haus unterbringen, das ihm gehöre - ein Geschenk seines Königs, Henry VII. Er könne einfach nicht mehr ohne mich leben, und die Harlechs seien allesamt

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