Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
einem Arm stützte ich mich über ihrem Kopf ab, denn ich wollte nicht mit meinem ganzen Gewicht auf ihr lasten, wollte aber auch nicht ihre Hände freigeben. Sie wand und drehte sich unter mir, ihre blonden Flechten lösten sich aus den perlengeschmückten Bändern, und ihr Körper glänzte vor Feuchtigkeit, rosig schimmernd wie das Innere einer Muschel. Schließlich konnte ich nicht länger an mich halten, und als ich endlich jede Berechnung aufgab, schien es mir, dass auch sie sich vollkommen der letzten Erfüllung ergab, ich kam mit ihr, und gemeinsam gaben wir uns dem Rhythmus hin. Sie schloss die Augen, dunkle Röte überlief sie wie im Todeskampf, und in einem letzten Aufbäumen warf sie den Kopf hin und her, ehe sie erschlaffte.
Ich rollte mich zur Seite und legte beide Arme übers Gesicht, als wolle ich mich vor Schlägen schützen. Ich hörte ihr leises Kichern, dann, ganz plötzlich, schlug sie tatsächlich zu. Feste Schläge hagelten auf meine Arme. Aber das machte nichts. Ich tat, als ob ich vor Scham weinte.
»Nun sieh dir an, was du mit meiner schönen Robe angestellt hast, du grässlicher kleiner Satyr, du heimlicher Eroberer! Du schändliches, frühreifes Gör!«
Ich spürte, dass sie das Bett verließ. Ich hörte, dass sie sich anzog. Sie sang leise vor sich hin.
»Was wird dein Herr hierüber denken, Amadeo?«, fragte sie. Ich nahm die Arme vom Gesicht und schaute, wo sie geblieben war. Sie zog sich hinter einem bemalten Wandschirm an, einem Geschenk, wenn ich mich recht entsann, von einem ihrer bevorzugten französischen Dichter aus Paris. Sehr bald tauchte sie wieder auf, in ein ebenso aufwändiges Gewand gekleidet wie zuvor, nur jetzt hatte sie ein helles, frühlingshaftes Grün gewählt, mit Wiesenblumen bestickt. Sie schien mir wie ein wonniger Garten, mit all diesen kleinen gelben und rosafarbenen Blüten, die mit glänzenden Fäden dicht an dicht das Mieder und den langen Taftrock bedeckten.
»Nun, sag mir, was wird der große Meister sagen, wenn er herausfindet, dass sein kleiner Geliebter in Wirklichkeit ein Waldgott ist?«
»Geliebter?« Ich war erstaunt.
Sie setzte sich und begann ihr zerzaustes Haar zu kämmen. Sie trug keine Schminke, und ihr Gesicht hatte keinerlei Spuren von unserem Spielchen davongetragen. Ihr Haar fiel wie ein glänzender Mantel aus wogendem Gold um ihr Gesicht. Ihre hohe Stirn war glatt. »Botticelli hat dich geschaffen«, flüsterte ich. Das hatte ich schon oft zu ihr gesagt, denn sie sah wirklich wie eine seiner gemalten Schönheiten aus. Eigentlich fanden das alle, und hin und wieder schenkte man ihr kleine Kopien seiner berühmten Florentiner Gemälde.
Daran dachte ich jetzt, und ich dachte an Venedig und an die Welt, in der ich lebte. Ich dachte an sie, Bianca, eine Kurtisane, die diese sittsamen und doch lasziven Bilder entgegennahm, als wäre sie eine Heilige.
Ein Echo alter Worte hallte in meinem Gedächtnis, Worte, die man vor langer Zeit zu mir sprach, als ich mich auf Knien alter, glanzvoller Schönheit gegenüber sah und mich auf dem höchsten Gipfel geglaubt hatte, und diese Worte besagten, dass ich nur die Dinge malen durfte, »die das Reich Gottes repräsentierten«.
Man konnte nicht Aufruhr nennen, was in mir vor sich ging, doch ich durchlebte ein heftiges Durcheinander verschiedener Strömungen, während ich Bianca zusah, wie sie ihr Haar wieder aufband und die zarten Perlenschnüre und grünen Bänder hineinflocht, die mit den gleichen hübschen Blümchen bestickt waren, die auch ihr Kleid zierten. Ihre rosigen Brüste wurden nur halb von dem engen Mieder bedeckt. Am liebsten hätte ich es aufs Neue aufgerissen. »Meine hübsche Bianca, wieso sagst du das - dass ich sein Geliebter sei?«
»Alle wissen es«, flüsterte sie. »Du bist sein Favorit. Glaubst du, dass du ihn verärgert hast?«
»Ach, wenn ich ihn nur verärgern könnte«, sagte ich bitter. Ich richtete mich auf. »Du kennst meinen Herrn nicht. Nichts bringt ihn dazu, die Hand gegen mich zu erheben. Oder auch nur die Stimme zu heben! Er hat mich ausgeschickt, um Erfahrungen zu sammeln, um zu lernen, so viel es nur geht.«
Sie lächelte und nickte. »Also kamst du her und verbargst dich unter dem Bett.«
»Ich war traurig.«
»Natürlich«, sagte sie. »Nun, schlaf erst einmal, und wenn ich zurückkomme und du immer noch hier bist, werde ich dich wärmen. Aber, mein übermütiger Kleiner, muss ich dir erst sagen, dass du auch nicht ein gedankenloses Wort über das, was
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