Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
zu setzen.«
»Was fällt Euch ein?«, sagte der Rote. »Ich trinke auf Giovanni Longo und die Genueser, die mit ihm kämpften!« Er griff nach dem Krug, den er dabei beinahe umstieß, und goss mit unsicherer Hand Wein in seinen Becher und über den Tisch. Dann nahm er einen tiefen Zug. »Und hier auf meinen Vater. Möge Gott seiner Seele gnädig sein. Vater, ich habe deine Feinde erschlagen, und ich werde die erschlagen, die ihre Dummheit müßig zur Schau stellen.«
Er drehte sich zu meinem Herrn um und stieß ihn leicht mit dem Ellenbogen an. »Euer Jüngling da ist eine Schönheit. Überstürzt nichts. Denkt darüber nach. Wie viel?«
Mein Herr brach in ein Lachen aus, wie ich es noch nie von ihm vernommen hatte, so frisch und natürlich klang es.
»Was bietet Ihr mir? Woran könnte ich interessiert sein?«, sagte mein Herr, während er mich anschaute, mit einem heimlichen, glitzernden Augenzwinkern.
Mir schien, jeder Mann im Raum maß mich abschätzend, und dass du es richtig verstehst, das waren nicht etwa Knabenliebhaber, es waren nur Italiener ihrer Epoche, die, während sie, wie man es von ihnen erwartete, Kinder zeugten und Frauen verrührten, sooft sich die Gelegenheit bot, nichtsdestoweniger einen knackigen, appetitlichen Jüngling schätzten, so wie ein Mann von heute eine goldbraune Scheibe Toast mit Creme fraiche und edelstem Kaviar schätzt. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Töte sie, dachte ich, schlachte sie ab. Ich hatte das Gefühl, sehr einnehmend zu sein, ja, sogar schön. Kommt, ihr da, sagt mir, dass euch bei meinem Anblick Merkur einfällt, der auf Botticellis Gemälde Der Frühling gerade die Wolken verscheucht. Doch der Rothaarige, der mich mit einem schalkhaft-neckischen Blick betrachtete, sagte: »Ah, er ist Verrocchios David, er ist das Vorbild für die Bronzestatue. Versucht nicht, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Und unsterblich ist er, ah, ja, ich kann es sehen, unsterblich! Er wird niemals sterben.« Abermals hob er den Weinkelch. Dann griff er in seine Tunika und zog aus dem gepuderten Hermelinbesatz seiner Jacke ein schweres, goldenes Medallion hervor, auf das ein riesiger, flach geschliffener Diamant aufgesetzt war. Er riss sich die Kette vom Hals und hielt sie meinem Herrn vor die Nase, der das pendelnde Schmuckstück ansah, als sei es eine runde Scheibe, die ihn hypnotisieren sollte.
»Für uns alle«, sagte der Schwarzhaarige, indem er sich umwandte und mich genau betrachtete. Die anderen lachten. Die Tänzer riefen: »Ja, und für mich auch!«, und »Nur, wenn ich als Zweiter drankomme, sonst nicht!«, und »Hier, das, wenn ich Erster bin, noch vor dir!« Damit war der Rothaarige gemeint, aber den Edelstein an dem riesigen Ring, den dieser Tänzer meinem Herrn zuwarf, kannte ich nicht. Es war ein glitzernder, purpurfarbener Stein.
»Ein Saphir«, murmelte mein Gebieter leise und mit einem neckenden Blick auf mich. »Amadeo, stimmst du zu?«
Der dritte Tänzer, ein blonder Mann, der ein Stück kleiner als die anderen war und einen kleinen Buckel an der linken Schulter hatte, löste sich aus dem Kreis und näherte sich mir. Als zöge er einen Handschuh aus, so zog er alle Ringe von seinen Fingern und warf sie mir klirrend vor die Füße.
»Schenke mir ein süßes Lächeln, junger Gott«, keuchte er, außer Atem vom Tanz. Sein samtener Kragen war verschwitzt. Er war unsicher auf den Beinen und verlor fast das Gleichgewicht, doch er verwandelte sein Schwanken in einen spaßhaften, schwerfälligen Tanzschritt. Die Musik dröhnte fort, als fänden die Musikanten es angebracht, die Trunkenheit ihrer Herren zu übertönen. »Ist noch irgendjemand an der Belagerung Konstantinopels interessiert?«, fragte mein Herr. »Erzählt mir, was aus Giovanni Longo wurde«, bat ich mit zaghafter Stimme. Alle Augen richteten sich auf mich.
»Was ich im Sinn habe, ist eher die Belagerung des … Amadeo. Ja, Amadeo, so war der Name!«, rief der blonde Tänzer.
»Bald, mein Herr«, sagte ich. »Lehrt mich zuvor Geschichte.«
»Du kleines Früchtchen«, sagte der Schwarzhaarige. »Du hebst ja nicht einmal seine Ringe auf.«
»Meine Finger starren von Ringen«, antwortete ich höflich, was ja a uch stimmte.
Der Rothaarige stürzte sich gleich wieder in die Redeschlacht. »Giovanni Longo blieb während der Bombardierung vierzig Tage dort. Als die Türken die Mauern durchbrachen, kämpfte er die ganze Nacht. Nichts konnte ihn in Furcht versetzen. Er wurde nur in Sicherheit
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