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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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gebracht, weil er angeschossen wurde.«
    »Und die Kanonen, mein Herr?«, fragte ich. »Waren sie wirklich so riesig?«
    »Ihr wart wohl dabei!«, höhnte der Schwarze, ehe der Rotschopf mir antworten konnte.
    »Mein Vater war dabei«, sagte er nun. »Und er überlebte es und berichtete uns davon. Er war auf dem letzten Schiff, das mit den Venezianern aus dem Hafen entkam, und ehe Ihr etwas sagt, mein Herr, warne ich Euch, sprecht nicht schlecht von meinem Vater oder von den Venezianern. Sie brachten die Bürger in Sicherheit, mein Herr, die Schlacht war verloren…«
    »Ihr meint, sie ließen sie im Stich«, sagte der Schwarzhaarige. »Ich meine, sie entkamen mit den hilflosen Flüchtlingen, nachdem die Türken gesiegt hatten. Nennt Ihr meinen Vater einen Feigling? Ihr wisst so wenig über Manieren, wie Ihr über den Krieg wisst. Ihr seid zu dumm zum Kämpfen, und zu betrunken!«
    »Amen«, sagte mein Herr.
    »Erzählt Ihr es ihm«, verlangte der Rothaarige von meinem Herrn. »Ihr, Marius de Romanus, erzählt’s ihm.« Er nahm einen weiteren Zug aus dem überschwappenden Becher. »Erzählt von dem Massaker, das stattfand. Erzählt ihm, wie Giovanni Longo auf der Stadtmauer stand und kämpfte, bis er in die Brust getroffen wurde. - Hör zu, du blöder Narr!«, schrie er seinen Kumpan an. »Keiner weiß mehr darüber als Marius de Romanus. Zaubermeister sind klug, so sagt meine Hure, und hiermit trinke ich auf Bianca Solderini.« Er leerte den Becher. »Eure Hure, mein Herr?«, fragte ich. »Das sagt Ihr über eine solche Frau, und noch dazu in Gegenwart dieser betrunkenen, respektlosen Männer?«
    Sie achteten nicht auf mich, weder der Rothaarige, der schon den nächsten Becher leerte, noch die anderen.
    Der Blonde kam auf unsicheren Füßen zu mir getaumelt. »Sie sind zu betrunken, um an dich zu denken, schöner Knabe«, sagte er. »Aber ich nicht.«
    »Mein Herr, Ihr steht Eure Runden beim Tanz nicht durch«, sagte ich zu ihm. »Steht Ihr denn Eure Runden mit mir durch?«
    »Du elender kleiner Balg«, fauchte der Mann, dabei fiel er fast auf mich, weil er das Gleichgewicht verlor. Als ich aufsprang, um ihm auszuweichen, stolperte er über meinen Stuhl und stürzte zu Boden. Die anderen brachen in brüllendes Gelächter aus. Die beiden Tänzer gaben ihre gedrechselten Schrittfolgen auf.
    »Giovanni Longo war tapfer.« Mein Herr sprach ganz ruhig, sein Blick wanderte über alle Anwesenden und kehrte dann wieder zu dem Rothaarigen zurück. »Alle dort waren tapfer. Aber Byzanz war nicht mehr zu retten. Seine Stunde hatte geschlagen. Und für den Höchsten wie den Niedrigsten war die Zeit abgelaufen. Und in der Massenvernichtung, die folgte, ging vieles unwiederbringlich verloren. Viele hundert Bibliotheken brannten nieder. So viele ehrwürdige Schriften mit all ihren unwägbaren Geheimnissen gingen in Rauch auf…«
    Ich rückte ein Stück von dem angriffslustigen Trunkenbold ab, der sich dort unten am Boden mühsam umdrehte und mich anschrie: »Du mieser kleiner Schoßhund! Los, reich mir die Hand, sag ich!«
    »Ah, mein Herr«, antwortete ich. »Ich glaube. Ihr wollt mehr als die Hand.«
    »Und ich werde es bekommen«, stammelte er, doch er glitt aus und fiel mit einem jämmerlichen Grunzen abermals lang hin. Der dritte Mann an der Tafel - ansehnlich, aber schon älter, mit dichtem, graugewelltem Haar und einem von würdigen Linien geprägten Gesicht, der sich bisher schweigend mit einer fetttriefenden Hammelkeule vollgestopft hatte - blickte über sein Bratenstück hinweg zuerst mich, dann den Mann an, der mühsam versuchte, auf die Füße zu kommen.
    »Hmm, Goliath fällt also, kleiner David«, sagte er und lächelte mich an. »Hüte deine Zunge, kleiner David, wir sind nicht alle tumbe Riesen, und deine Kiesel müssen noch nicht zum Einsatz kommen.« Ich erwiderte das Lächeln. »Euer Scherz ist so plump wie Euer Freund dort, mein Herr. Was meine Kiesel, wie Ihr es nennt, betrifft, so bleiben sie in ihrem Beutel und warten ab, dass Ihr wie Euer Freund dort strauchelt.«
    Der rothaarige Mann, dieses kleinen Wortwechsels gar nicht gewahr, sprach unverwandt zu Marius: »Als die berühmteste Stadt der Welt fiel, verbrannten auch alle Bücher?«
    »Ja, er macht sich was aus Büchern, der Bursche«, sagte der Schwarzhaarige. »Mein Herr, kümmert Euch lieber um Euren Kleinen. Den erwischt es gleich, der Tanz hat eine andere Wendung genommen. Sagt ihm, er soll sich nicht über Ältere lustig machen.« Die beiden

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