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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Liebe ist, Liebe, die stetig größer wird, deine Liebe zu anderen und ihre Liebe zu dir.«
    Für mich war das etwas Wunderbares, Allumfassendes! Nicht nur ein abgedroschener Gemeinplatz. Es schien so immens, so subtil, und doch so, dass alle sterblichen Probleme angesichts dieser Wahrheit in sich zusammenfielen.
    Ich wurde im gleichen Moment in meinen Körper zurückkatapultiert. Ich war wieder der Junge mit den kastanienbraunen Haaren auf seinem Sterbebett. Ein Kribbeln lief mir durch Hände und Füße. Ich wand mich, und ein elender Schmerz jagte durch meinen Rücken. Mir war heiß, als stünde ich in Flammen, und wie vorher, so wälzte ich mich wieder, schweißüberströmt, rastlos hin und her, nur, dass nun auch noch meine Lippen aufgesprungen waren und meine rissige Zunge sich schälte, als sie an die Zähne stieß.
    »Wasser«, murmelte ich, »Wasser, bitte.«
    Alle um mein Krankenbett Versammelten schluchzten leise auf, ein Schluchzen, das mit Lachen und ehrfürchtigen Ahs einherging, weil ich noch lebte, dabei hatten sie mich schon für tot gehalten. Ich schlug die Augen auf und sah Bianca an.
    »Ich werde noch nicht sterben«, hauchte ich.
    »Was sagst du, Amadeo?«, fragte sie. Sie beugte sich zu mir und legte ihr Ohr an meine Lippen.
    »Meine Zeit ist noch nicht gekommen«, sagte ich.
    Sie brachten mir kühlen Weißwein, mit Honig und Zitrone vermischt. Ich richtete mich auf und trank in langen, tiefen Schlucken. »Das reicht nicht«, sagte ich leise, schwach, aber schon im Einschlafen begriffen.
    Ich sank in die Kissen. Auf Stirn und Augen spürte ich Biancas Tuch. Barmherzige Tat, und wie herrlich, dass sie mir diese geringe Erleichterung verschaffte, die mir alles bedeutete. Alles. Alles. Ich hatte vergessen, was ich im Jenseits gesehen hatte! Ich riss die Augen auf. Du musst es wiederfinden!, dachte ich verzweifelt. Aber an den Priester konnte ich mich erinnern, lebhaft sogar, als ob ich gerade im Zimmer nebenan mit ihm gesprochen hätte. Er hatte behauptet, ich würde mich nicht erinnern können. Aber da war noch mehr, bestimmt viel mehr, Dinge, wie sie nur mein Herr vielleicht verstehen konnte. Ich schloss die Augen wieder. Ich schlief. Ohne Träume, zum Träumen war ich zu krank, zu fiebrig, doch gedämpft war ich mir des feuchten, heißen Bettes bewusst, der dumpfen Luft unter dem Betthimmel, der undeutlich verzerrten Worte meiner Freunde und Biancas lieb gemeinter Beharrlichkeit. Die Stunden tickten dahin. Ich erfasste sie wohl, und nach und nach empfand ich insofern eine gewisse Erleichterung, als ich mich an den Schweiß gewöhnte, der meine Haut überzog, an den Durst, der in meiner Kehle brannte, und ich lag, ohne zu klagen, trieb dahin, wartete darauf, dass mein Herr käme.
    Ich habe Euch so viel zu erzählen, dachte ich. Ihr werdet von der gläsernen Stadt erfahren! Ich muss Euch erklären, dass ich einst… aber ich konnte mich nicht richtig erinnern … ein Maler war, ja, aber was für ein Maler, und wieso, und wie war mein Name? Andrei? Wann hatte ich so geheißen?

7
     
    Ü ber mein Krankenlager, über den stickigen Raum senkte sich langsam das dunkle Himmelszelt. In alle Richtungen breiteten sich die schimmernden Sterne aus, in großartigem Glanz standen sie über der gläsernen Stadt, und in meinen Halbschlaf schlich sich ein durch und durch beruhigendes und segensreiches Trugbild: Ich vernahm den Gesang der Sterne.
    In seiner festen Position innerhalb der Konstellationen und der Leere des Weltraums erzeugte jeder einzelne Stern einen köstlichen, schimmernden Klang, als ob in seinem flammenden Kreis ein gewaltiger Akkord angeschlagen und durch die gleißende Kraft seiner Umdrehung über die ganze Welt ausgesendet wurde. Solche Klänge waren noch nie an mein irdisches Gehör gedrungen. Doch wenn man es auch in Abrede stellen wollte, ermessen konnte man diese luftigen, lichtdurchfluteten Gesänge nicht, nicht den harmonischen Zusammenklang der Lobpreisung.
    O HERR, wärest DU Musik, so wäre dies DEINE Stimme, und keine Dissonanz könnte sich je gegen DICH behaupten. Von jedem unerfreulichen Lärm befreitest DU unsere gemeine Welt mit dieser Melodie, dem klarsten Ausdruck DEINES höchst verschlungenen und wundersamen Weltenplans, und alle Oberflächlichkeit würde vergehen vor dieser überwältigenden, widerhallenden Vollkommenheit.
    So betete ich, ein Gebet, das mir in altertümlichen Worten aus tiefstem Herzen kam, ganz innig und mühelos, während ich im Halbschlaf lag.
    Bleibt bei

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