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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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mir. Ihr wunderbaren Sterne, bat ich, und macht, dass ich nie wage, diese Verschmelzung von Licht und Klängen auszuloten, sondern mich dem nur ganz und fraglos hingebe.
    Die Sterne mit ihrem kalten, majestätischen Licht dehnten sich ins Unendliche, bis nach und nach die Nacht gänzlich verblich und nur ein einziges immenses, prächtiges Licht blieb, dessen Ursprung nicht ersichtlich war. Ich lächelte. Mit blinden Fingern tastete ich auf meinem Mund nach diesem Lächeln, und als das Licht noch heller aufleuchtete, noch näher herankam, ein Ozean aus Licht, legte sich herrliche, erlösende Kälte über meine Glieder.
    »Vergehe nicht, bleib hier, verlass mich nicht.« Mein Flüstern war ganz jämmerlich und leise. Ich drückte meinen pochenden Kopf in die Kissen.
    Doch für dieses mächtige, alles überstrahlende Licht war die Zeit abgelaufen, es musste nun vergehen, und das gewöhnliche Flackern der Kerzen trat vor meine halb geschlossenen Augen. Nun sah ich wieder den dämmrigen Dunst, der mein Lager umgab, sah solche schlichten Dinge wie den Rosenkranz mit den Rubinperlen und dem goldenen Kreuz, den man über meine rechte Hand geschlungen hatte, und dort zu meiner Linken, ein Gebetbuch, offen, die Seiten rührten sich sacht in einer leichten Brise, die auch die Seide in ihrem hölzernen Rahmen über mir in kleine Wellen legte.
    Diese schlichten, alltäglichen Dinge, Bestandteile des schweigend sich dehnenden Augenblicks, wie schön sie mir doch erschienen! Wo waren sie hin, meine hübsche, schwanenhälsige Pflegerin, meine weinenden Kameraden? Hatte die mühevolle Nacht sie auf ihre Lager sinken lassen, damit ich diese kurze, ruhige Zeit des Wachens unbeobachtet für mich haben konnte? Tausend rege Erinnerungen durchströmten sachte meinen Geist.
    Ich schlug die Augen auf. Alle waren fort, außer einem, der neben mir auf dem Bett saß und auf mich niederschaute, mit Augen, die zugleich träumerisch und distanziert schauten. Ihr kaltes Blau war blasser als der Sommerhimmel und von einem wie auf geschliffenen Flächen reflektierenden Licht erfüllt, während sie sich unbewegt und gleichgültig auf mich richteten.
    Mein Herr. Die Hände im Schoß gefaltet, saß er scheinbar wie ein Fremder hier und betrachtete dies alles, als könne nichts an seine wie in Stein gemeißelte, hehre Größe rühren. Der ernste Ausdruck, in dem sein Gesicht verharrte, schien für die Ewigkeit dort verankert. »Unbarmherzig!«, flüsterte ich.
    »Nein, o nein«, sagte er. Seine Lippen bewegten sich nicht. »Aber erzähle mir noch einmal diese ganze Geschichte. Beschreibe mir die gläserne Stadt.«
    »Ah, ja, wir haben davon gesprochen, oder nicht? Über jene Priester, die sagten, ich müsse zurückgehen, und dann die alten Gemälde, ganz uralt, die ich so wunderschön fand. Nicht von Menschenhand gemacht, versteht Ihr, sondern durch die Fähigkeit, die mir verliehen wurde, die mich durchströmte, so dass ich nur den Pinsel zu nehmen brauchte, und die Heilige Jungfrau und sämtliche Heiligen kamen daraus hervor, durch mich.«
    Seine Lippen zeigten auch jetzt keine Bewegung, obwohl ich seine Stimme deutlich hörte, eine Stimme, die an mein Ohr drang wie jede menschliche Stimme auch, mit seiner Sprachmelodie, mit seinem ihm eigenen Klang. Er sagte: »Verwirf das Althergebrachte nicht; denn alles ändert sich, und was heute Vernunft ist, ist morgen nur noch Aberglaube, und in alten Beschränkungen steckte eine höhere Absicht, eine unerschöpfliche Reinheit. Doch erzähl mir noch einmal von der gläsernen Stadt.«
    Ich seufzte. »Ihr habt genau wie ich schon einmal flüssiges Glas gesehen, wenn es aus dem Schmelzofen kommt, ein glühend heißer Klumpen auf einem eisernen Spieß, zerfließend und tropfend kann es der Künstler mit einem Stab strecken und dehnen oder seinen Atem hineinblasen, um ein vollkommen rundes Gefäß zu formen. Nun, hier war es, als wäre dieses Glas aus dem feuchten Schoß der Mutter Erde selbst hervorgesprudelt, ein geschmolzener Strahl, der aufschoss zu den Wolken, und aus diesen gewaltigen Geysiren gebar sie die dicht an dicht stehenden Türme ihrer gläsernen Stadt - keine Nachahmung einer von Menschen geschaffenen Form, sondern vollkommen wie die glutheiße Kraft der Erde sie natürlich anordnete, in unvorstellbaren Farben erglühend. Wer lebte an solcher Stätte? Wie fern sie schien und doch durchaus erreichbar! Nur ein kurzer Gang über liebliche grüne Hügel, auf denen das Gras sich neigt und Blumen sich mit

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