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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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aufgeben würde. Erinnerst du dich?«
    »Nein, alter Junge, das hast du falsch verstanden. Sie fragte, ob du deine Reichtümer gegen den Tod eintauschen würdest, aber sie hat nicht versprochen, dass sie dann dort sein würde. Das ist der springende Punkt. Sie wird nicht da sein. Guter Gott, wie viele Jahre habe ich in der Talamasca die Wissenschaft spiritueller Erscheinungen und ihrer Botschaften studiert, wie viele Jahre habe ich über den Aussagen von Augenzeugen gebrütet, die mit Geistern verkehrten und ihre Weisheiten niedergeschrieben hatten! Du kannst dir aussuchen, was du über das Jenseits glauben möchtest. Es spielt keine Rolle. Aber hast du erst einmal den Tod gewählt, kannst du dich nie wieder für das Leben entscheiden. Da endet der Glaube. Entscheide dich nicht für den Tod, ich flehe dich an! Bleib hier, für mich, weil ich dich brauche, wenn schon aus sonst keinem Grund. Bleib meinetwegen und wegen Lestat, denn er braucht dich auch.«
    Natürlich waren meine Worte keine Überraschung für Louis. Er legte die rechte Hand an seine Brust und drückte sie leicht auf die Wunde, und eine Sekunde lang verzerrte sich sein Gesicht zu einer Grimasse. Er schüttelte den Kopf.
    »Deinetwegen und wegen Lestat, ja, daran habe ich auch gedacht. Und was ist mit ihr? Mit unserer schönen Merrick? Braucht sie mich auch?«
    Es schien, als hätte er noch eine Menge zu sagen, aber er schwieg unvermittelt, und seine Brauen runzelten sich. Er sah jung und unglaublich unschuldig aus. Schnell drehte er den Kopf zur Seite. »David, hörst du das?«, fragte er mit wachsender Erregung. »Hör doch, David!«
    »Mann, was ist denn?«, fragte ich.
    »Hör doch, David! Man hört es von überall.« Er erhob sich,
    die rechte Hand immer noch auf die schmerzende Stelle gedrückt. »David, das ist Claudia, die Musik - es ist das Cembalo! Ich höre es, die Musik umfängt uns. David, sie will, dass ich zu ihr komme. Ich weiß es.« Ich war sofort auf den Beinen. Ich hielt ihn fest. »Du wirst das nicht tun, mein Freund, du kannst das nicht tun, ohne Abschied genommen zu haben, von Merrick, von Lestat, und die Nacht ist nicht mehr lang genug dazu.« Louis starrte ins Nichts, gefesselt und getröstet. Seine Augen waren wie blind, und sein Gesicht nahm einen sanften, resignierten Ausdruck an. »Ich kenne diese Sonate. Ich kann mich daran erinnern. Und ja, sie liebte sie, liebte sie, weil Mozart sie schon als Kind geschrieben hatte. Du hörst es nicht, nein? Aber einmal hast du es hören können, erinne re dich. Das Stück ist so schön, und wie schnell sie spielt, meine Claudia …«
    Er lachte wie betäubt. Dicke Tränen stiegen ihm in die Augen, so dass sie von Blut verschleiert waren.
    »Ich höre auch die Vögel. Hör nur, sie singen! Ich höre sie in ihrem Käfig. Die anderen - alle, die von ihr wissen -, sie halten Claudia für herzlos, aber das war sie nicht. Ihr waren nur so viele Dinge bekannt, die ich erst im Laufe vieler Jahrzehnte gelernt habe. Sie kannte Geheimnisse, die einen nur viele Jahre des Leidens lehren können …« .
    Seine Stimme verlor sich. Er löste sich anmutig aus meinem Griff und trat in die Mitte des Raumes. Er drehte sich, als ob die Musik ihn wirklich umfinge.
    »Merkst du nicht, was sie mir Liebes tut?«, flüsterte er. »Es hört überhaupt nicht mehr auf, David, sie spielt immer schneller! Claudia, ich höre dir zu.« Er brach ab und drehte sich abermals, seine Augen wanderten über den Raum hin, ohne etwas zu sehen. »Claudia, ich werde sehr bald schon bei dir sein.«
    »Louis«, sagte ich, »es ist fast schon Morgen. Komm mit mir!« Er stand still, mit gesenktem Kopf, und ließ die Arme schlaff am Körper niedersinken. Er wirkte unendlich traurig und unendlich geschlagen.
    »Hat es aufgehört?«, fragte ich.
    »Ja«, flüsterte er. Langsam hob er den Blick, wusste für einen Moment nicht, wo er war, hatte sich dann aber gefangen. Er sah mich an. »Zwei Nächte spielen jetzt auch keine Rolle mehr, oder? Und so kann ich Merrick noch danken. Ich kann ihr das Bild geben. Vielleicht möchte es die Talamasca haben.« Er deutete auf einen niedrigen ovalen Tisch, der vor der Couch stand. Auf dessen Platte lag unverhüllt die Daguerreotypie. Als sich mein Blick in ihre Augen senkte, verspürte ich einen Stich. Ich hätte die kleine Hülle gern geschlossen, aber es war unwichtig. Ich wusste, ich konnte nicht zulassen, dass das Bild je der Talamasca in die Hände fiel. Ich konnte einen solchen Kontakt nicht

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