Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs
Versprechen mir gegenüber halten werden, sollten wir dieses Haus endgültig verschließen. Ich möchte mit Ihnen gehen.«
»Ja, dann lassen wir es ausräumen.«
Plötzlich senkte sie den Blick auf die verschrumpelte Hand, die sie immer noch hielt. Die Ameisen waren schon auf ihre eigene Haut hinübergekrabbelt.
»Leg das weg, Kind«, sagte ich so spontan, dass es mich selbst erschreckte.
Sie schüttelte die Hand noch ein-, zweimal und tat dann, was ich gesagt hatte. »Das muss alles mitgenommen werden, alles«, sagte sie. »Eines Tages werde ich die Sachen wieder hervorholen, und dann werde ich wissen, was es damit auf sich hat.« Sie wischte die unerwünschten Ameisen fort.
Ich muss gestehen, ihr ablehnender Tonfall erfüllte mich mit Erleichterung.
»Aber sicher«, bestätigte Aaron. Er wandte sich um und winkte den Talmasca-Novizen, die uns bis an den Rand des Patio gefolgt waren.
»Sie fangen jetzt an zu packen«, erklärte er Merrick. »Aber eine Sache hier im Hof muss ich selbst mitnehmen«, sagte sie und schaute dabei erst mich, dann Aaron an. Sie wirkte weder, als benähme sie sich absichtlich oder aus Koketterie geheimnisvoll, noch wirkte sie besorgt.
Sie ging langsam zu einem der knorrigen Obstbäume, der genau in der Mitte des Patio zwischen den Steinen emporwuchs. Sie neigte den Kopf, als sie unter den niedrigen grünen Ästen hindurchging, dann hob sie die Arme, fast als wollte sie den Baum umfangen. Im nächsten Moment sah ich, was sie vorhatte. Ich hätte es ahnen müssen. Aus dem Baum hatte sich eine riesige Schlange herabgelassen und wickelte sich nun um Merricks Arme und Schultern. Es war eine Boa Constrictor. Vor Widerwillen überlief mich unwillkürlich ein Schauder. Nicht einmal die Jahre, die ich am Amazonas verbracht hatte, hatten mich zu einem Schlangenliebhaber gemacht. Eher im Gegenteil. Aber ich wusste, wie sie sich anfühlten; ich kannte diese unheimliche, glatte Last und dieses fremdartige, bis unter die Haut dringende Gefühl, wenn sich einem der glatte, gleitende Schlangenkörper mit raschen Bewegungen um den Arm wand. Ich konnte es selbst spüren, als ich Merrick dabei beobachtete. Währenddessen drang aus dem grünen, verschlungenen Dickicht das leise Geflüster der anderen Zuschauer. Darum also hatten sie sich hier versammelt. Dies war der Augenblick. Die Schlange war natürlich eine Voodoo-Gottheit. Das wusste ich. Aber ich war immer noch verwundert.
»Sie ist eindeutig harmlos«, sagte Aaron eilig. Als wenn er was davon verstünde! »Wir müssen sie natürlich mit ein, zwei Ratten füttern, schätze ich, aber für uns ist sie ganz …«
»Mach dir keine Gedanken«, sagte ich lächelnd, um ihn nicht länger zappeln zu lassen. Ich sah, dass er sich sehr unbehaglich fühlte. Aber um ihn ein bisschen zu necken und um die lastende Schwermut dieses Platzes ein wenig zu lüften, sagte ich: »Natürlich weißt du, dass die Nager noch leben müssen!« Er war gehörig entsetzt und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, als wolle er sagen: ›Das hättest du dir sparen können!‹ Aber er war viel zu höflich, um ein Wort zu sagen. Merrick sprach leise auf Französisch zu der Schlange. Sie ging zurück zu dem Altar und fand dort einen schwarzen, eisernen Kasten mit vergitterten Öffnungen auf allen Seiten - ich kann es nicht besser beschreiben - und öffnete ihn mit einer Hand, wobei die Scharniere laut aufkreischten. In diesen Kasten ließ sie die Schlange gleiten, die sich zu unser aller Erleichterung mit ruhiger Eleganz darin niederließ.
»Nun, dann wollen wir mal sehen, welcher beherzte Ritter die Schlange tragen möchte«, sagte Aaron zu dem Helfer, der ihm am nächsten stand und das Ganze sprachlos mit ansah. Derweilen löste die Versammlung sich langsam auf und strebte davon. Es raschelte lebhaft zwischen den Bäumen, Blätter fielen überall. Unsichtbar in dem üppigen Blattwerk huschten die Vögel umher und wirbelten mit ihren winzigen, schwirrenden Flügeln die Luft auf. Merrick verharrte eine Weile mit nach oben gewandtem Blick, als hätte sie eine Lücke in dem dichten Blätterdach ge funden.
»Ich werden nie wieder hierher zurückkommen, ich glaube es nicht«, sagte sie leise zu uns beiden oder auch zu niemandem. »Warum sagst du das, Kind?«, fragte ich. »Du kannst tun, was du möchtest, du kannst jeden Tag wieder herkommen, wenn du willst. Wir müssen noch so vieles gemeinsam besprechen.«
»Alles hier ist zerstört«, sagte sie, »und außerdem, wenn Cold
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