Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs
deswegen extra ins French Quarter. Man kann sie nicht in jedem Ecklädchen kaufen. Hat sie bis zu seiner letzten Stunde geraucht.«
»Wer sind Sie?«, fragte ich.
Aaron sagte nichts. Er überließ mir erst einmal das Kommando, blieb aber auf seinem Posten.
»Nicht so hastig, Mr. Talbot«, kam mit harter Stimme die Antwort. »Stellen Sie mir ruhig ein paar Fragen.« Sie verlagerte ihr Gewicht auf ihren linken Ellbogen, so dass sich der Unterrock verschob und ihre runden Brüste noch weiter entblößte. Ihre Augen funkelten förmlich im Licht der Tischlampen. Ihre Lider und ihre Augenbrauen schienen von dieser neuen Persönlichkeit vollkommen beherrscht zu werden. Man konnte sie nicht einmal für Merricks Zwilling halten. »Cold Sandra?«, fragte ich.
Ein erschreckendes, unheilvolles Gelächter platzte aus ihr hervor. Sie warf das schwarze Haar zurück und zog abermals an der Zigarette.
»Sie hat Ihnen nicht ein Wort von mir erzählt, stimmt’ s?«, fragte sie, und wieder erschien dieses höhnische Grinsen, schön, aber vor Gift triefend. »Sie war immer eifersüchtig. Ich habe sie seit dem Tag ihrer Geburt gehasst.«
»Honey in the Sunshine«, sagte ich ruhig. Sie nickte, grinste mich an und stieß den Rauch aus. »Der Name ist immer gut genug für mich gewesen. Und da ist sie, lässt mich ganz raus aus der Geschichte. Na, glauben Sie nur nicht, dass ich mich mit so wenig zufrieden gebe, Mr. Talbot. Oder sollte ich David zu Ihnen sagen? Wissen Sie, ich finde, Sie sehen nach einem David aus, rechtschaffen und keusch und so weiter.« Sie drückte die Zigarette auf der Platte des Schminktisches aus. Und dann nahm sie eine neue, klemmte sie sich zwischen die Lippen und zündete sie mit dem goldenen Feuerzeug an, das ich ebenfalls in meinem Zimmer liegen gelassen hatte. Sie drehte es zwischen ihren Fingern und las durch den aufsteigenden Rauchfaden hindurch die Inschrift darauf. »Für David, meinen Retter, von Joshua.« Sie lächelte, aber ihre Augen schossen Blitze auf mich ab. Die zitierten Worte schnitten mir ins Herz, aber das ließ ich mir nicht anmerken. Ich starrte sie nur an. Diese Sache würde wohl länger dauern.
»Da haben Sie verdammt Recht«, sagte sie, »das wird länger dauern. Meinen Sie etwa, ich wollte nicht auch etwas von dem, was sie bekommt? Aber reden wir doch über das hier, über Joshua. Er war Ihr Liebhaber, oder? Sie und er liebten sich, und er starb.« Ich fühlte tiefsten Schmerz, und wenn ich mich auch aufgeklärter Offenheit und Selbsterkenntnis verschrieben hatte, war ich doch peinlich berührt, dass das in Aarons Beisein gesagt wurde. Joshua war jung gewesen und einer von uns.
Sie lachte leise, sinnlich. »Natürlich können Sie auch mit Frauen, wenn sie nur jung genug sind, nicht wahr?«, fragte sie boshaft. »Woher kommen Sie, Honey in the Sunshine?«, fragte ich. »Sprich sie nicht mit ihrem Namen an«, flüsterte Aaron. »Ah, das ist ein guter Rat, aber er nützt nichts. Ich bleibe, wo ich bin. Reden wir doch über Sie und diesen Jungen - Joshua. Sieht so aus, als wäre er recht jung gewesen, als Sie … «
» Schluss damit«, sagte ich in scharfem Ton. »Sprich nicht zu dem Ding, David«, murmelte Aaron kaum hörbar. »Sprich es nicht an. Jedes Mal, wenn du es ansprichst, gibst du ihm Kraft.«
Die kleine Frau vor dem Schminktisch stieß ein helles, perlendes Lachen aus. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich ganz uns zu, dabei schob sich der Saum des Unterrocks noch weiter über ihre nackten Schenkel hinauf.
»Ich schätze, er war vielleicht achtzehn«, sagte sie, während sie die Zigarette von ihrer Lippe löste und mich mit flammenden Augen ansah. »Aber Sie wussten es nicht genau, nicht wahr, David? Sie wussten nur eins: Sie mussten ihn haben.«
»Verschwinde aus Merricks Körper«, sagte ich. »Du gehörst da nicht hin.«
»Merrick ist meine Schwester!«, fauchte sie. »Ich mache mit ihr, was ich will. Seit sie in der Wiege lag, hat sie mich rasend gemacht, hat meine Gedanken gelesen, sagte, dass ich mir alle Probleme selbst zuzuschreiben hätte, gab mir immer an allem die Schuld!«
Sie sah mich wutentbrannt an und beugte sich vor. Ich konnte ihre Brustwarzen sehen.
»Du verrätst nur zu deutlich, was du bist«, sagte ich, »oder sollte ich besser sagen, was du warst?«
Plötzlich sprang sie auf und fegte mit einem heftigen Schlag ihrer freien linken Hand alle Flakons und die Lampe von der Platte des Schminktisches. Zerschlagenes Glas krachte zu Boden. Die
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