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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Lampe erlosch in knisterndem Funkenblitz. Zwei oder mehr Flaschen waren zerbrochen, und der Teppich war mit scharfen Splittern übersät. Im Raum breitete sich schwerer Parfümduft aus. Sie stand vor uns, eine Hand in die Hüfte gestemmt, die Zigarette in der hoch erhobenen anderen, und schaute auf die Flaschen nieder. »Jaaa, diesen Kram liebt sie!«, sagte sie.
    Ihre Haltung wurde übertrieben zweideutig. »Und dir gefällt, was du siehst, David, oder? Sie ist gerade noch jung genug für dich. Man ahnt noch den Jungen in ihr, nicht wahr? Die Große Nananne hat dich samt deinen Wünschen durchschaut. Und ich durchschaue dich auch.«
    Ihr Gesicht war zornglühend, aber wunderschön. »Du hast Joshua getötet, nicht wahr?«, sagte sie leise, ihre Augen waren zusammengekniffen, als ob sie in meine Seele spähte. »Du hast ihn gehen lassen, auf diese Klettertour im Himalaja …« Bei »Himalaja« imitierte sie meine Sprechweise. »Und du wusstest, dass es gefährlich war, aber du liebtest ihn so sehr, du konntest ihm nichts abschlagen.«
    Ich war nicht fähig, etwas zu sagen. Ein zu heftiger Schmerz bohrte in mir. Ich versuchte, jeden Gedanken an Joshua zu verbannen, versuchte, nicht an den Tag zu denken, an dem man seinen Leichnam nach London zurückgebracht hatte. Ich versuchte, mich auf das Mädchen vor mir zu konzentrieren. »Merrick«, sagte ich mit der ganzen Strenge, die ich aufbringen konnte, »Merrick, treib sie aus!«
    »Du bist doch scharf auf mich - und du auch, Aaron«, fuhr sie fort, mit breitem Grinsen im geröteten Gesicht. »Der eine wie der andere - beide würdet ihr mich auf die Matratze nageln, wenn ihr dächtet, ihr kämt damit durch.« Ich sagte nichts.
    »Merrick!« Aaron sprach sehr laut. »Treib sie aus dir heraus. Sie will dir nur Böses, Liebling.«
     
    »Weißt du, was Joshua von dir gedacht hat, als er den Steilhang hinabstürzte?«, fragte sie. »Hör auf!!«, rief ich. »Er hat dich gehasst, weil du ihm diese Reise erlaubt hattest, hat dich gehasst, weil du gesagt hattest, ja, er könnte fahren.«
    »Lügnerin!«, sagte ich. »Verlass Merricks Körper!« »Schrei mich nicht an, mein Herr«, fauchte sie zurück. Sie senkte ihren Blick auf die Glasscherben und knipste die Asche ihrer Zigarette darüber. »Lass mich mal überlegen, wie ich sie endgültig fertig machen kann.«
    Sie trat einen Schritt vorwärts, mitten in das Durcheinander aus Scherben und Flakons zwischen uns.
    Ich ging auf sie zu.
    »Bleib, wo du bist.«
    Ich packte sie bei den Schultern und drängte sie gewaltsam zurück. Aber ich musste meine ganze Kraft aufwenden. Ihre Haut war feucht von Schweiß, so dass sie meinem Griff durch eine Drehung entschlüpfte.
    »Du glaubst wohl nicht, dass ich barfuß über Glas gehen kann?«, sagte sie mir mitten ins Gesicht, während sie sich heftig gegen mich wehrte. »Du dummer alter Mann«, fuhr sie fort, »warum sollte ich denn wollen, dass Merrick sich die Füße zerschneidet?«
    Ich erwischte sie und zermalmte dabei Glasscherben unter meinen Schuhen.
    »Du bist tot, nicht wahr, Honey in the Sunshine? Du bist tot, und du weißt es, und das hier ist das einzige Leben, das dir noch möglich ist!«
    Eine Sekunde lang nahm das schöne Gesicht einen leeren Ausdruck an. Merricks Selbst schien wieder da zu sein. Doch schon schossen die Augenbrauen wieder in die Höhe, die Lider sanken träge herab und ließen die Augen darunter hervorglitzern. »Ich bin hier, und hier bleibe ich auch.«
    »Du bist schon längst im Grab, Honey«, antwortete ich. »Das heißt, der Körper, nach dem du verlangst, ist im Grab, und dir ist nur dein ruheloser Geist geblieben, ist es nicht so?« Ein ängstlicher Ausdruck huschte über ihre Züge, dann verhärtete sich ihre Miene wieder, während sie meine Hände abschüttelte.
    »Du weißt gar nichts über mich, mein lieber Mann«, sagte sie. Sie war ratlos, wie es Geistern so oft geht. Sie konnte den anmaßenden Gesichtsausdruck nicht beibehalten, mit einem Male schauderte der ganze, ihr fremde Körper. Die echte Merrick kämpfte jetzt.
    »Merrick, komm zu dir, schmeiß sie raus, Merrick«, feuerte ich sie an und näherte mich ihr wieder.
    Sie bewegte sich rückwärts auf das Fußende des Bettes zu, dabei richtete sie die Zigarette in ihrer Hand auf mich. Sie wollte mich damit verbrennen!
    »Ich tu’s, darauf kannst du wetten«, sagte sie hellsichtig. »Ich wünschte, ich hätte etwas, womit ich dir richtig wehtun könnte. Aber ich schätze, ich werde mich damit

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