Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs
Mr. Talbot.«
»Da hinüber«, sagte ich, schob sie von den gefährlichen Splittern fort und trug sie auf meinen Armen ins Bad. Sie beugte sich über das Waschbecken und übergab sich heftig. Ich selbst bebte am ganzen Körper. Meine Kleidung war schweiß getränkt. Mary drängte mich hinaus. Zuerst schien mir das ganz unerhört, doch dann wurde mir klar, wie Mary das Ganze vorge kommen sein musste. Also zog ich mich zurück. Als ich Aaron ansah, war ich über den Ausdruck auf seinem Gesicht erstaunt. Er hatte schon viele Fälle von Besessenheit gesehen. Sie sind alle entsetzlich, jeder auf seine Weise, Wir warteten im Flur, bis Mary uns sagte, wir könnten wieder hineingehen.
Merrick trug nun einen weißen Baumwollbademantel, ihr Haar war gebürstet und bauschte sich braun glänzend, ihre Augen waren rot gerändert, aber ganz klar. Sie saß in dem Armsessel in der Ecke im Licht der großen Stehlampe. Weiße Satinpantoffeln schützten ihre Füße, die Scherben waren allerdings fortgeräumt. Und der Schminktisch sah mit seiner einen verbliebenen Lampe und den restlichen, heil gebliebenen Flakons wieder sehr hübsch aus. Merrick zitterte jedoch noch immer, und als ich zu ihr ging, griff sie nach meiner Hand und umklammerte sie. »Deine Schultern werden wohl noch eine Weile schmerzen«, sagte ich entschuldigend.
»Ich kann euch sagen, wie sie starben«, sagte sie, indem sie erst mich, dann Aaron anschaute. »Sie waren mit dem ganzen Geld in der Tasche ein Auto kaufen. Wissen Sie, der Mann, der es ihnen verkaufte, ließ sie einsteigen und fuhr mit ihnen nach Lafayette, und dort tötete er sie wegen des vielen Geldes. Er gab ihnen beiden eins fest über den Schädel.« Ich schüttelte den Kopf.
»Vor vier Jahren ist es passiert«, fuhr sie fort, ihre Gedankengänge nur auf diese Geschichte fixiert. »Es passierte gleich an dem Abend nach ihrem Weggehen. Er überfiel sie in Lafayette in einem Motel. Dann setzte er sie in das Auto und fuhr sie in die Sümpfe. Das Auto lief voll Wasser. Wenn sie doch noch einmal zu sich kamen, ertranken sie eben. Jetzt ist nichts mehr übrig von den beiden.«
»Lieber Gott!«, flüsterte ich.
»Und die ganze Zeit über«, sprach sie weiter, »hatte ich solche Schuldgefühle, weil ich neidisch war, neidisch und eifersüchtig, weil Cold Sandra nicht mich, sondern Honey in the Sunshine mitgenommen hatte. Ich fühlte nur Schuld und Neid, Schuld und Neid: Honey war meine ältere Schwester. Sie war sechzehn, und sie verursachte ›keine Umstände‹, so hatte Cold Sandra es ausge drückt. Ich wäre zu klein, und sie würde bald wiederkommen und mich holen.«
Sie schloss kurz die Augen und atmete tief ein. »Wo ist sie jetzt?«, fragte ich. Aaron ließ mich merken, dass er darauf nicht gefasst gewesen war. Aber ich musste ihr diese Frage stellen. Lange Zeit reagierte sie nicht darauf. Sie lag da, starrte vor sich hin, und ihr ganzer Körper schüttelte sich, bis sie schließlich sagte:
»Sie ist weg.«
»Wie konnte sie zu dir vordringen?«, wollte ich wissen. Mary und Aaron schüttelten die Köpfe. »David, lass sie erst einmal in Ruhe!« Aaron sprach gezwungen höflich. Ich hatte aber nicht vor, das Thema einfach fallen zu lassen. Ich musste Bescheid wissen.
Wieder kam keine unmittelbare Antwort. Dann seufzte Merrick schwer und drehte sich zur Seite.
»Wie konnte sie zu dir durchdringen?«, fragte ich abermals. Merricks Gesicht schien zu schrumpfen. Ganz leise begann sie zu weinen.
»Bitte, Sir«, sagte Mary abermals, »lassen Sie sie jetzt erst einmal in Ruhe.«
»Merrick, wie konnte Ho ney in the Sunshine zu dir durchdringen?«, drängte ich sie. »Wusstest du, dass sie das vorhatte?« Mary baute sich an Merricks linker Seite auf und warf mir einen zornigen Blick zu. Ich hielt die Augen auf das zitternde Mädchen geheftet.
»Hast du sie darum gebeten?«, fragte ich sanft. »Nein, Mr. Talbot«, sagte sie leise und schlug langsam die Augen zu mir auf. »Ich habe zur Großen Nananne gebetet. Ich habe zu ihrer Seele gebetet, solange sie noch auf der Erde verweilte und mich hören konnte.« Ihre müde Stimme konnte die Worte kaum artikulieren. »Die Große Nananne schickte sie mir, damit ich es erfuhr. Die Große Nananne wird sich der beiden nun annehmen.«
»Ah, ich verstehe.«
»Wissen Sie, was ich getan habe?«, fuhr sie fort. »Ich rief eine Seele an, die gerade erst gestorben war. Eine Seele, die noch so nahe war, dass sie mir helfen konnte, und gekommen ist Honey, das überstieg
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