Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs
begnügen müssen, ihr wehzutun!«
Sie sah sich im Zimmer um.
Genau darauf hatte ich gewartet. Ich stürzte mich auf sie und packte sie bei den Schultern, in dem verzweifelten Versuch, sie trotz der rutschigen Schweißschicht und trotz ihres Zappelns festzuhalten.
Sie kreischte: »Hör auf damit, lass mich los!«, und schaffte es doch tatsächlich, mir die Zigarette auf die Wange zu pressen. Ich packte ihre Hand und verdrehte sie, bis sie die Zigarette fallen ließ. Sie versetzte mir einen so kräftigen Schlag, dass mir einen Moment lang ganz schwach wurde. Aber ich klammerte mich an ihren Schultern fest.
»Ja, los doch«, schrie sie, »tu ihr weh, brich ihr die Knochen, los doch! Glaubst du, das bringt Joshua wieder zurück? Meinst du, jetzt ist er alt genug für dich, David, meinst du, das bringt alles wieder ins Lot?«
»Verschwinde aus Merricks Körper!«, brüllte ich. Immer noch knirschte zerbrochenes Glas unter meinen Füßen. Also war sie den Scherben gefährlich nahe. Ich schüttelte sie heftig, so dass ihr Kopf hin und her flog. Sie krümmte sich zusammen, wand sich aus meinem Griff, und wieder traf mich ein Schlag, der mit solcher Kraft geführt war, dass er mich fast von den Füßen warf. Für einen Sekundenbruchteil war ich wie blind. Ich stürzte mich auf sie, packte sie unter den Armen, hob sie hoch und warf sie auf das Bett, hielt sie fest und kniete mich über sie. Sie sträubte sich heftig und versuchte, mein Gesicht zu erreichen.
»Lass sie los, David«, rief Aaron hinter mir. Und ich hörte plötzlich Mary, diese treue Seele, die mich bat, Merrick das Handgelenk nicht so stark zu verdrehen. Immer noch versuchte sie, mir ihre Finger in die Augen zu bohren.
»Du bist tot, du weißt es genau, du hast hier keine Rechte!«, schrie ich sie an. »Sag es! Sag, du bist tot, du bist tot! Und du musst Merrick in Ruhe lassen!«
Ich spürte, wie sich ihre Knie in meine Brust bohrten. »Große Nananne, mach, dass sie verschwindet!«, keuchte ich. »Wie kannst du es wagen!«, kreischte sie. »Du glaubst, du kannst meine Großmutter gegen mich ins Feld führen?« Sie griff mit der linken Hand in meine Haare und riss daran. Ich schüttelt sie immer noch.
Und dann zog ich mich zurück; ich ließ sie los und wandte mich nach innen, an meinen eigenen Geist, meine eigene Seele, formte sie zu einem mächtigen Werkzeug, und mit diesem unsichtbaren Werkzeug stürzte ich mich auf sie und traf sie mitten ins Herz, so dass ihr der Atem stockte. Dabei befahl ich ihr mit der ganzen Kraft meiner Seele: Hinaus mit dir! Hinaus! Hinaus! Ich spürte, wie ich gegen sie anbrandete. Ich spürte ihre geballte Kraft, so, als wäre da kein Körper, der sie beherbergte. Ich spürte ihren Widerstand. Ich hatte jeden Kontakt mit meinem eigenen Körper verloren. Hinaus aus Merrick! Geh! Ein Schluchzen brach aus ihr hervor.
»Wir haben kein Grab, du Bastard, du Teufel!«, rief sie. »Weder meine Mutter noch ich haben ein Grab! Du wirst mich nicht von hier fortkriegen!«
Ich schaute nieder in ihr Gesicht. Mein eigener Körper, wo war er niedergesunken? Aufs Bett, zu Boden? Ich wusste es nicht. Ruf Gott an, ganz gleich, unter welchem Namen, und mach dich auf zu Ihm!, befahl ich ihr. Hörst du? Lass jene Körper, wo sie auch sein mögen, hinter dir zurück und geh! Hier ist deine Chance!
Plötzlich schrumpfte die Kraft, die sich mir widersetzt hatte, und ich spürte, wie der immense Druck nachließ. Einen Augenblick lang dachte ich, ich könne sie sehen, eine gestaltlose Form, die über mir aufstieg. Dann merkte ich, dass ich auf dem Boden lag und gegen die Decke starrte. Und ich konnte Merrick hören, unsere Merrick, die wieder zu weinen begonnen hatte. »Sie sind tot, Mr. Talbot, sie sind tot, Cold Sandra ist tot und Honey in the Sunshine, meine Schwester, auch. Sie sind seit dem Tag tot, als sie New Orleans verlassen hatten, Mr. Talbot, und ich habe vier Jahre lang gewartet, dabei waren sie schon in der ersten Nacht in Lafayette tot. Mr. Talbot, sie sind tot, tot!«
Langsam kam ich auf die Füße. Meine Hände wiesen Schnitte von den Glasscherben auf. Ich fühlte körperliche Übelkeit.
Das Kind auf dem Bett hatte die Augen geschlossen. Sie grinste nicht mehr höhnisch, sondern jämmerliches Weinen verzerrte ihre Lippen.
Mary beeilte sich, ihr einen dicken Morgenmantel überzuwerfen.
Aaron war sofort an ihrer Seite. Mit einem Mal rollte sie sich auf den Rücken, machte eine Grimasse und stöhnte heiser: »Mir ist schlecht,
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