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Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs

Titel: Chronik der Vampire 07 - Merrick oder die Schuld des Vampirs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Dort hat der Hausmeister einen Patio angelegt, und der Schuppen ist ganz leer. Nichts ist von der Kultstätte geblieben, außer natürlich dem grell bemalten mittleren Stützbalken.
    Sie sagte hinterher kein Wort zu mir und weigerte sich heftig, ihre Träume auch nur näher zu erörtern.
    Sie drückte mir jedoch ihre große Dankbarkeit dafür aus, dass wir für sie das Haus erhalten hatten, das sie bisher so vernachlässigt hatte, und ich hoffte, damit wäre die Sache ausgestanden.
    Aber beim Abendessen vernahm ich mit Verwunderung, dass sie plante, wieder in das Haus einzuziehen und von nun an einen Teil ihrer Zeit dort zu verbringen. Sie wolle die alten Möbel wiederhaben, sagte sie. Sie selbst wollte die Maßnahmen überwachen.
    ›Was ist mit der unsicheren Nachbarschaft?‹, hörte ich mich fragen, und sie antwortete lächelnd: ›Ich habe nie Angst vor den Nachbarn gehabt. Du wirst bald schon feststellen, Aaron, dass die Nachbarn vor mir Angst haben werden.‹. Um mich nicht geschlagen zu geben, spöttelte ich: ›Und wenn aber ein Fremder, der nicht aus dem Viertel ist, dich umzubringen versucht?‹ Sofort schoss sie zurück: ›Der Himmel stehe dem Menschen bei, der den Versuch wagt.«
     
    Merrick tat, was sie gesagt hatte, und zog wieder in das »alte Viertel«, aber erst, als über dem alten Schuppen eine Unterkunft für den Verwalter ausgebaut worden war.
    Die beiden traurigen baufälligen Gebäude rechts und links von ihrem Haus erwarben wir und ließen sie niederreißen. Anschließend wurden an allen Seiten des riesengroßen Grundstücks Ziegelmauern hochgezogen, die nur an der Vorderfront, unmittelbar vor der Fassade, durch einen hohen schmiedeeisernen Zaun mit angespitzten Stäben unterbrochen wurden. Es musste ständig jemand auf dem Anwesen sein, und außerdem wurde ein Alarmsystem installiert. Wir ließen Blumen pflanzen, und für die Kolibris wurden wie der Futterstellen angebracht. Das klang alles ganz nett und normal, aber da ich das Haus von früher kannte, überlief es mich jedes Mal kalt, wenn ich hörte, dass Merrick dort ein und aus ging. Das Mutterhaus blieb ihr wahres Heim, aber laut Aaron verschwand sie häufiger am Nachmittag, fuhr nach New Orleans hinein und kam dann für Tage nicht zurück. »Das Haus ist jetzt eine geheime Sehenswürdigkeit«, schrieb Aaron mir. »Das gesamte Mobiliar wurde natürlich restauriert und aufpoliert, und Merrick hat das riesige Himmelbett der Großen Nananne übernommen. Die Fußböden, die aus Pinienwurzelholz bestehen, sind aufs Schönste wieder hergeric htet worden und lassen die Räume in einem goldenen Bernsteinton erglühen. Trotzdem beunruhigt es mich schrecklich, dass Merrick sich dort tage lang einschließt.«
    Natürlich schrieb auch ich an Merrick und griff die Sache mit den Träumen auf, die sie erst dazu gebracht hatten, in das alte Haus zurückzukehren.
    »Ich möchte dir etwas dazu sagen, doch es ist noch nicht so weit«, antwortete Merrick postwendend. »Nur eins sollst du wissen: dass in diesen Träumen immer Großonkel Vervain mit mir spricht. Manchmal bin ich wieder ein Kind, wie an dem Tag, als er starb. Manchmal sind wir beide erwachsen. Und in einem Traum scheinen wir beide jung zu sein.
    Aber du darfst dir keine Sorgen machen. Du musst dir vor Augen halten, dass ich unausweichlich in das Heim meiner Kindheit zurückkehren musste. Ich bin jetzt in dem Alter, in dem man etwas über seine Vergangenheit erfahren möchte, besonders wenn sie so nachhaltig und so plötzlich hinter einem verriegelt wurde wie in meinem Fall.
    Versteh mich recht, ich habe keine Schuldgefühle, weil ich das Haus verließ, in dem ich aufwuchs. Es ist einfach so, dass meine Träume mir sagen, dass ich dorthin zurückkehren muss. Sie sagen mir auch noch anderes.«
    Ich machte mir Sorgen wegen dieser Briefe, aber Merrick antwortete immer nur sehr kurz auf meine Nachfragen. Aaron war ebenfalls beunruhigt. Merrick war immer seltener in Oak Haven. Deswegen fuhr er oft in die Stadt, um sie in dem alten Haus aufzusuchen, bis Merrick darum bat, in Ruhe gelassen zu werden.
    Natürlich war es für Talamasca-Mitglieder nicht ungewöhnlich, ihr Leben zwischen Mutterhaus und privater Wohnung aufzuteilen. Auch ich selbst hatte und habe immer noch einen Wohnsitz in den Cotswolds in England. Aber es ist kein gutes Zeichen, wenn sich ein Mitglied für sehr lange Zeiträume vom Orden fern hält. In Merricks Fall war es wegen der dauernden, kryptischen Erwähnung ihrer Träume

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