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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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verheißungsvolle Unschuld aus – Verheißung, weil man sie nach Belieben formen konnte, ohne ihr etwas zu nehmen –, und meiner Ansicht nach wohnte dieser Verheißung eine Lüge inne. Ich antwortete in warmem Flüsterton, um sie nicht zu verletzen:
    »Genau aus diesem Grund kann ich dich nicht mitnehmen; deshalb und weil ich allein sein muss.«
    Sie ließ den Kopf sinken. »Was soll ich tun?«, fragte sie. »Sag du es mir. Männer werden kommen, Sterbliche, wegen irgendwelcher Steuern oder anderem alltäglichen Kleinkram, dann entdecken sie mich und werden mich als Hexe oder Gottesleugnerin durch die Straßen zerren. Oder sie kommen tagsüber und finden mich dort unten in meinem totenähnlichen Schlaf, und weil sie mich wiederbeleben wollen, bringen sie mich nach oben ans Sonnenlicht, in den sicheren Tod.«
    »Hör auf, das weiß ich alles«, sagte ich. »Siehst du nicht, dass ich nachdenken will? Lass mich erst einmal allein.«
    »Wenn ich jetzt gehen muss, beginne ich vor Kummer ganz unerträglich zu schreien oder zu weinen, sodass du es sicher nicht aushalten kannst. Du wirst mich verlassen.«
    »Nein, bestimmt nicht, und jetzt sei still.«
    Ich lief ruhelos im Zimmer hin und her, mein Herz sehnte sich schmerzhaft nach ihr, und wiederum tat ich mir selbst aus tiefster Seele Leid, weil mir diese Aufgabe zugefallen war. Es schien mir die ausgleichende Gerechtigkeit dafür, dass ich Eudoxia getötet hatte. In der Tat schien mir dieses Kind eine Art Phantom, aus Eudoxias Asche erstanden, um mich einem Geist gleich zu verfolgen, als ich gerade die Flucht vor meiner Tat antreten wollte. Schließlich sandte ich einen stummen Ruf nach Avicus und Mael aus. Ich nutzte meine Gabe des Geistes bis zum Äußersten und drängte die beiden, nein, ich befahl ihnen sogar, zu mir, zu Eudoxias Haus, zu kommen und sich durch nichts abhalten zu lassen. Ich ließ sie wissen, dass ich sie brauchte und bis zu ihrer Ankunft hier warten würde.
    Dann setzte ich mich neben meine junge Gefangene und tat, was ich schon die ganze Zeit hatte tun wollen: Ich schob ihr die schwere dunkle Haarmasse nach hinten über die Schultern und küsste ihre weichen Wangen. Es waren geraubte Küsse, und ich wusste es. Aber ihre kindlich weiche Haut und ihr dichtes gewelltes Haar versetzten mich in einen stillen Wahn, und ich mochte einfach nicht aufhören.
    Diese Intimität erschreckte sie, aber sie wehrte sich nicht gegen mich.
    »Musste Eudoxia leiden?«, fragte sie mich.
    »Wenn, dann nur sehr wenig«, antwortete ich. Ich ließ von ihr ab. »Aber sag mir eines: Warum hat sie nicht einfach versucht, mich zu töten? Ohne mich hierher einzuladen? Warum hat sie überhaupt mit mir geredet? Warum weckte sie die Hoffnung in mir, dass wir Gemeinsamkeiten haben könnten?« Sie überlegte eine Weile, ehe sie antwortete. Dann sagte sie: »Du hast sie irgendwie fasziniert, im Gegensatz zu den anderen. Und das lag nicht nur an deiner Schönheit, wenn die auch eine große Rolle spielte. Für sie schon immer. Sie sagte mir, dass eine Frau auf Kreta – eine Bluttrinkerin – ihr einst von dir erzählt hätte.« Ich wagte nicht, sie zu unterbrechen. Mit aufgerissenen Augen starrte ich sie an.
    »Vor vielen Jahren«, fuhr sie fort, »war diese Bluttrinkerin nach Kreta gekommen, eine Wanderin, sie suchte nach dir, sprach von dir – von Marius dem Römer, von Geburt ein vornehmer Patrizier und Gelehrter. Diese Bluttrinkerin liebte dich. Sie focht Eudoxias Anspruch auf die Insel als Jagdgebiet nicht an, sie war nur auf der Suche nach dir, und als sie feststellte, dass du nicht dort warst, zog sie weiter.«
    Ich war sprachlos! Mir war so elend, und gleichzeitig war ich so aufgeregt, dass ich nichts darauf sagen konnte. Sie hatte von Pandora gesprochen! Und es war das erste Mal in dreihundert Jahren, dass ich von ihr gehört hatte!
    »Weine nicht deswegen«, sagte sie sanft. »Es ist Ewigkeiten her. Die Zeit kann doch sicherlich eine große Liebe heilen. Andernfalls – welch ein Fluch wäre das!«
    »Die Zeit heilt nicht«, sagte ich mit belegter Stimme. Tränen standen mir in den Augen. »Sagte sie noch mehr? Bitte erzähl es mir, auch noch die winzigste Kleinigkeit, an die du dich erinnern kannst.« Mein Herz pochte heftig gegen die Rippen. Es war, als hätte ich vergessen, dass ich ein Herz besaß, und bekäme nun das Gegenteil in aller Deutlichkeit zu spüren.
    »Wie, mehr? Nichts mehr. Nur, dass die Frau sehr viel Macht hatte und kein leicht zu besiegender Feind

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