Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
war Eudoxias Gefährtin und wurde von ihr fortgeschickt, bis der Kampf mit uns vorbei wäre; nun ist er vorbei, und hier ist dieses Kind.«
»Kind?«, fragte Zenobia leise. »Ich bin kein Kind.« Obwohl sie ernst und missbilligend dreinschaute, schenkten ihr beide, Avicus und Mael, ein duldsames Lächeln.
»Eudoxia war auch nicht älter als ich, als sie Das Blut erhielt. ›Mache nie einen Bluttrinker, der älter ist‹, sagte sie, ›denn wenn man als Mensch schon älter ist, führt das wegen der menschlichen Eigenheiten, an die man sich schon angepasst hat, nur zu Elend und Leid.‹ Eudoxias Sklaven erhielten das Blut alle im gleichen Alter wie ich, und sie waren daher keine Kinder mehr, sondern Bluttrinker, auf ewig währendes Leben eingerichtet.«
Ich äußerte mich nicht dazu, aber ich vergaß die Worte nie. Tausend Jahre später gab es eine Zeit, da diese Worte sehr wichtig für mich waren, und es kam so weit, dass sie mich Nacht für Nacht verfolgten und quälten. Aber dazu kommen wir noch früh genug, denn ich habe vor, diese tausend Jahre schnell zu erzählen. Aber nun zurück zu dieser Geschichte.
Wie alles, was sie sagte, hatte Zenobia auch diese kleine Rede mit sehr sanfter Stimme gehalten, und als sie nun endete, sah ich, dass Avicus endgültig verzaubert war. Das hieß nicht, dass er sie für immer und ewig lieben würde, das wusste ich. Aber ich sah, dass keine Schranke ihn und dieses Kind trennte. Er trat noch näher an sie heran und schien nicht recht zu wissen, auf welche Art er ihrer Schönheit Hochachtung zollen sollte, und dann sprach er sie zu meiner großen Überraschung an: »Mein Name ist Avicus. Ich bin ein langjähriger Freund von Marius.« Er schaute erst mich, dann wieder Zenobia an und fragte sie: »Bist du allein?«
»Ganz allein«, erwiderte Zenobia, warf mir jedoch dabei einen Blick zu, um zu sehen, ob ich sie schweigen heißen würde, »und wenn ihr – vielleicht ihr alle oder auch nur einer von euch – mich nicht mit euch nehmt oder mit mir hier in diesem Haus bleibt, dann bin ich verloren.«
Ich nickte meinen beiden langjährigen Gefährten zu. Mael warf mir einen versengenden Blick zu und schüttelte den Kopf. Er schaute zu Avicus, aber der betrachtete immer noch das Kind.
»Du wirst nicht schutzlos hier zurückbleiben«, sagte Avicus, »das ist undenkbar. Aber du musst uns jetzt eine Weile allein lassen, damit wir überlegen können. Nein, bleib, wo du bist. Das Haus hat viele Zimmer. Marius, wo können wir uns zusammensetzen?«
»In der Bibliothek«, sagte ich sofort. »Kommt, ihr beiden. Du, Zenobia, hab keine Angst, und lausche besser nicht, du hörst vielleicht nur Bruchstücke des Gesagten, das Ganze ist aber von Gewicht, und nur das wird unser wahres Empfinden offenbaren.« Ich ging voran, und wir ließen uns eilig, als hätten wir nur wenig Zeit, in Eudoxias großartiger Bibliothek nieder.
»Ihr müsst sie zu euch nehmen«, erklärte ich, »ich kann es nicht. Ich gehe von hier fort, und ich nehme Die Eltern mit, wie ich euch gesagt habe. Nehmt ihr sie unter eure Fittiche.«
»Das ist unmöglich!«, protestierte Mael. »Sie ist viel zu schwach. Und ich will sie nicht bei uns haben! Ich sage dir das klipp und klar, ich will sie nicht.«
Avicus beugte sich vor und legte seine Hand auf Maels. »Marius kann sie nicht mitnehmen. Das ist die schlichte Wahrheit. Es geht nicht darum, ob er will. Er kann ein so junges Ding nicht bei sich haben.«
»Junges Ding«, sagte Mael angewidert. »Sag’s doch, wie es ist. Sie ist schwächlich und unwissend, und sie wird uns nur schaden.«
»Ich bitte euch, nehmt sie zu euch«, drang ich auf sie ein. »Lehrt sie alles, was ihr wisst, lehrt sie, was sie wissen muss, um allein zurechtkommen zu können.«
»Aber sie ist eine Frau!«, warf Mael ein. »Wie kann sie je allein zurechtkommen?«
»Mael, wenn man ein Bluttrinker ist, interessiert das nicht mehr«, entgegnete ich. »Wenn sie erst stark ist, wenn sie erst alles, was zum Überleben notwendig ist, gelernt hat, dann kann sie, wenn sie will, ein Leben wie Eudoxia führen. Sie kann leben, wie es ihr gefällt.«
»Nein, ich will sie nicht«, wiederholte Mael. »Ich werde sie nicht aufnehmen. Um nichts in der Welt.«
Ich wollte etwas sagen, als ich seinen Gesichtsausdruck sah, und der zeigte mir deutlich, dass er es ernster meinte, als ihm selbst bewusst war. Er würde sich nie mit Zenobia abfinden, und wenn ich sie bei ihm ließ, würde sie in Gefahr sein. Denn er würde sie
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