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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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fortschicken oder im Stich lassen oder gar Schlimmeres. Es wäre nur eine Frage der Zeit.
    Ich schaute zu Avicus, nur um zu sehen, dass er auf Gedeih und Verderb Maels Erbarmen ausgeliefert war. Wie schon immer war er in Maels Gewalt. Wie schon immer konnte er sich nicht von Maels Zorn distanzieren.
    Avicus bat und bettelte. Ihr Leben würde sich doch bestimmt nicht wesentlich ändern! Sie könnten sie lehren, wie man jagt, oder? Aber nein, sicherlich konnte sie schon jagen! Sie war eigentlich gar nicht mehr so menschlich, diese süße Kleine. Es war doch nicht hoffnungslos; vielleicht sollten sie ja meine Bitte doch erfüllen?
    »Ich möchte sie bei uns haben«, sagte Avicus mit Wärme. »Ich finde sie entzückend. Und sie ist so süß, dass es mein Herz rührt.«
    »Ja, so ist es«, warf ich ein, »sie ist rührend und süß, das ist wahr.«
    »Und wozu soll das gut sein bei einem Bluttrinker?«, fragte Mael. »Ein Bluttrinker soll rührend und süß sein, wozu?« Ich konnte nicht sprechen. Ich dachte an Pandora. In mir brannte ein so heftiger Schmerz, dass ich es nicht in Worte fassen konnte. Aber ich sah Pandora vor mir. Ich sah sie, und ich wusste, dass sich in ihr diese anrührende Süße mit der Fähigkeit zu leidenschaftlichen Gefühlen gepaart hatte. Diese Kombination von Eigenschaften konnten sowohl Männer als auch Frauen haben, und in diesem Kind, in Zenobia, würden sich vielleicht diese beide Anlagen auch entfalten.
    Ich wandte den Blick ab, unfähig, die beiden in ihrem Streit zu unterbrechen, aber mit einem Mal spürte ich, dass Avicus zornig war und Mael vor Wut fast kochte.
    Als ich wieder zu den beiden hinübersah, schwiegen sie schnell. Dann schaute mich Avicus an, als besäße ich hier die Entscheidungsgewalt, aber ich wusste, dass er sich täuschte.
    »Ich kann euch eure Zukunft nicht vorschreiben«, sagte ich. »Ihr wisst, dass ich fortgehe.«
    »Bleib hier, bei uns«, bat Avicus.
    »Undenkbar!«, antwortete ich.
    »Du bist nur dickköpfig, Marius«, sagte Avicus leise. »Du fürchtest dich vor deinen eigenen heftigen Gefühlen. Wir könnten in diesem Haus zu viert leben.«
    »Ich brachte der Besitzerin dieses Hauses den Tod«, sagte ich. »Ich könnte hier nicht wohnen. Dass ich überhaupt so lange hier verweile, ist Blasphemie gegenüber den alten Göttern. Die alten Götter werden Rache üben. Und diese Stadt – nun, ich sagte euch doch, ich muss fort, ich muss Jene, die bewahrt werden müssen irgendwohin schaffen, wo sie wirklich geheim und sicher untergebracht sind.«
    »Das Haus gehört von Rechts wegen dir«, sagte Avicus. »Du weißt das. Du hast es uns angeboten.«
    »Ihr habt Eudoxia nicht getötet. Kommt, zurück zum Thema. Werdet ihr dieses Mädchen zu euch nehmen?«
    »Nein«, sagte Mael.
    Avicus sagte nichts. Er hatte keine Wahl.
    Wieder wandte ich den Blick ab. Meine Gedanken waren einzig und allein bei Pandora, auf der Insel Kreta; eigentlich konnte ich mir das gar nicht vorstellen. Pandora, die Unstete. Ich sagte lange Zeit nichts. Dann erhob ich mich, ohne Avicus und Mael auch nur ein Wort zu gönnen, da sie mich so enttäuscht hatten, und ging zurück in das Schlafgemach, wo das reizende junge Wesen auf dem Bett lag.
    Sie hatte die Augen geschlossen. Das Licht der Lampe warf einen weichen Schein. Welch köstliches, widerstandsloses Geschöpf sie zu sein schien – ihr makelloser Teint, die leicht geöffneten Lippen und ihr Haar, das sich über das Kissen breitete.
    Ich setzte mich neben sie.
    »Warum wählte Eudoxia dich, außer wegen deiner Schönheit?«, begann ich. »Hat sie dir das je gesagt?«
    Sie schlug die Augen auf, als hätte ich sie erschreckt, was bei einem so jungen Vampir schon geschehen konnte, dann überlegte sie, ehe sie antwortete. Schließlich sagte sie leise: »Weil ich einen flinken Verstand hatte und ganze Bücher auswendig hersagen konnte. Sie ließ sie sich von mir vortragen.« Ohne sich aufzurichten, hob sie die Hände, als hielte sie ein Buch darin. »Ich brauchte nur eine Seite zu überfliegen und konnte mir sofort alles merken. Und ich hatte keine Angehörigen unter den Sterblichen, um die ich mich gegrämt hätte. Für die Kaiserin war ich nur eine von hundert Zofen. Ich war Jungfrau. Ich war eine Sklavin.«
    »Ich verstehe. Gab es noch andere Gründe?« Ich war mir bewusst, dass Avicus zur Tür gekommen war, aber ich ließ es mir nicht anmerken.
    Zenobia dachte einen Moment nach, dann antwortete sie: »Sie sagte, man könne meine Seele nicht

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