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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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eher verstohlen, so, wie dieser Knabe es noch nie erlebt hatte.
    Als ich ihn schließlich ansah, fand ich nur Erstaunen in seiner Miene.
    »Hast du keine Tränen für diesen Mann, Amadeo?«, fragte ich. »Fragst du dich nicht, was mit seiner Seele geschieht? Er starb ohne die heiligen Riten. Er starb einzig für mich.«
    »Nein, Herr«, antwortete er, und dabei spielte ein Lächeln um seinen Mund, als wäre es eine Flamme, die von meinen Lippen zu den seinen übersprang. »Was ich sah, war wie ein Wunder, Herr. Was kümmert mich der Körper dieses Burschen oder seine Seele?« Ich konnte vor Zorn nichts entgegnen. Dies hier hätte ein Lehre für ihn sein sollen! Er war zu jung, die Nacht zu finster, der Mann war einfach zu erbärmlich, und mein ganzer vorausberechneter Plan hatte zu nichts geführt!
    Ich wickelte ihn wieder in meinen Umhang, den ich ihm auch übers Gesicht zog, damit er nichts sah, solange ich still durch die Lüfte reiste, über Dächer schwebte und dann flink und leise durch ein höher gelegenes, wegen der Kälte verschlossenes Fenster in ein Haus einbrach. Ich huschte durch ein paar Hinterzimmer in das dämmrige, üppige Schlafgemach Biancas, und mit einem Blick in die vorderen Salons fand ich Bianca, die sich bereits von ihren Gästen abwandte.
    »Was machen wir hier, Herr?«, fragte Amadeo mit einem ängstlichen Blick zu den Gesellschaftsräumen.
    »Du musst es noch einmal sehen, damit du verstehst, was da geschah«, sagte ich zornig. »Du sollst sehen, wie es denen widerfährt, die wir angeblich lieben.«
    »Aber wie denn, Herr?«, wollte Amadeo wissen. »Was sagt Ihr da? Was meint Ihr?«
    »Ich jage die Übeltäter, Kind«, erklärte ich. »Und du sollst sehen, dass das Böse hier ebenso vertreten ist wie in jenem armen Schlucker da draußen, den ich ohne Beichte, unbetrauert den schwarzen Wassern des Kanals übergab.«
    Bianca war inzwischen hier und fragte uns mit so viel Freundlichkeit, wie sie eben aufbringen konnte, wieso wir in ihrem Privatgemach waren. Ihre hellen Augen schauten mir forschend ins Gesicht.
    Ich schleuderte ihr meine Anschuldigungen entgegen.
    »Sag’s ihm, meine geliebte Schönheit«, forderte ich mit gedämpfter Stimme, damit ihre Gäste nichts merkten, »sag ihm, welch schreckliche Taten sich hinter deiner freundlichen Gelassenheit verbergen. Sag ihm, dass so mancher Gast hier unter deinem Dach vergiftet wurde.« Wie ruhig sie bei ihrer Antwort blieb!
    »Du erzürnst mich, Marius. Dein Kommen war ungehörig. Gehörst du zum Gerichtshof, dass du mich beschuldigst? Geh, und wenn du zurückkommt, dann mit dem liebenswürdigen Betragen, das du mir so viele Male zuvor bezeigt hast.« Amadeo zitterte. »Bitte, Herr, lasst uns gehen. Wir empfinden doch nur Liebe für Bianca.«
    »Oh, aber ich möchte mehr von ihr als Liebe«, sagte ich, »ich möchte ihr Blut.«
    »Nein, Herr«, flüsterte Amadeo. »Herr, ich bitte Euch.«
    »O doch, denn ihr Blut ist verseucht vom Bösen und schmeckt mir deshalb umso besser. Ich trinke gerne Mörderblut«, sagte ich. »Bianca, erzähl ihm vom mit Gift versetzten Wein und von den Leben, um jener willen verwirkt, die dich zum Instrument ihrer übelsten Pläne gemacht haben.«
    »Geh jetzt«, befahl Bianca abermals, ohne die geringste Furcht vor mir zu zeigen. Ihre Augen flammten.
    »Marius de Romanus, du kannst nicht über mich urteilen. Nicht du mit deinen Zauberkräften, nicht du mit deinen Knaben. Ich will nichts weiter sagen, nur eines: Verlasst mein Haus.«
    Ich rückte näher, um sie in meine Arme zu ziehen. Ich wusste nicht, ob ich innehalten würde, wusste nur, dass ich das Grauen vor Amadeo offenbaren wollte, dass er es erkennen musste, dass er das Leiden sehen musste und den Schmerz.
    »Herr«, flüsterte er und versuchte, sich zwischen uns zu drängen, »ich werde Euch nie wieder um dies eine bitten, wenn Ihr ihr nur nichts antut. Hört Ihr? Herr, ich will Euch nie mehr bedrängen. Nur lasst ab von ihr.«
    Ich hielt sie fest und schaute auf sie nieder, und der süßeste Duft stieg mir in die Nase, der Duft ihrer Jugend, ihres Haares, ihres Blutes.
    »Nehmt Ihr sie, so sterbe ich mit ihr, Herr«, sagte Amadeo. Es war genug, mehr als genug. Ich zog mich von ihr zurück. Ich fühlte mich seltsam verwirrt. Die Musik aus den Salons verwandelte sich in Lärm. Ich saß plötzlich auf Biancas Bett, fürchterlicher Blutdurst tobte in mir. Ich hätte sie jetzt alle umbringen können, dachte ich mit einem Blick auf die Schar der Gäste, und

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