Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
aufbewahrte, äußerte ich mich auch nicht dazu. Meine Besorgnis in Bezug auf Amadeo mit ihr zu teilen war mir zu schmerzlich. Und was die Talamasca anging, nun, diese Geschichte war zu absonderlich und außerdem zu sehr mit meiner Liebe zu Pandora verknüpft.
Aber ich ließ Bianca tatsächlich immer häufiger im Schrein zurück. Natürlich ließ ich sie nie in den frühen Nachtstunden dort allein, da sie ganz und gar auf mich angewiesen war, wenn es darum ging, Orte zum Jagen zu finden. Da nahm ich sie selbstverständlich immer mit.
Nein, später in der Nacht, wenn wir getrunken und ich sie wieder in die Sicherheit des Schreins zurückbegleitet hatte, dann machte ich mich auf eigene Faust auf den Weg, um die Grenzen meiner Kräfte zu erproben.
Inzwischen trat etwas Merkwürdiges ein. Indem ich von Der Mutter trank, wuchsen meine gesamten Kräfte. Aber ich machte eine Erfahrung, die alle verletzten Bluttrinker machen – nämlich, dass ich durch den Heilungsprozess noch an Kraft gewann und stärker als vor meiner Verletzung wurde.
Natürlich ließ ich Bianca immer wieder von meinem Blut trinken, aber während ich immer stärker wurde, vertiefte sich die Kluft zwischen uns, und es war kein Ende abzusehen.
Manchmal fügte ich in meine Gebete die Bitte ein, ob Akasha nicht Bianca zu sich rufen wolle. Aber wie es aussah, lautete die Antwort nein, und so wagte ich gar nicht erst, die Probe aufs Exempel zu machen. Zu gut erinnerte ich mich noch an Eudoxias Tod, und mir stand immer noch vor Augen, wie Enkil die Hand gegen Mael erhoben hatte. Ich konnte Bianca nicht einer möglichen Verletzung aussetzen. Innerhalb kurzer Zeit war ich imstande, Bianca mit mir durch die Nacht zu tragen bis hin zu den nicht fernen Städten Prag und Genf, und dort gönnten wir uns einen kleinen Blick auf die Zivilisation, an der wir einst in Venedig selbst teilgehabt hatten.
Was diese schöne, große Stadt anging, so mochte ich nicht dorthin zurückkehren, sosehr Bianca mich auch anflehte. Natürlich besaß sie die Gabe der Lüfte nicht und war in einer Weise von mir abhängig, wie ich es von Amadeo und Pandora nie gekannt hatte.
»Es schmerzt mich zu sehr«, erklärte ich ihr, »nach Venedig gehe ich nicht. Du hast nun so lange hier als meine schöne Nonne gelebt, was verlangst du denn anderes?«
»Ich sehne mich nach Italien«, murmelte sie niedergeschlagen. Und ich wusste nur zu gut, was sie meinte, aber ich antwortete nicht.
»Wenn schon nicht Italien«, sagte sie schließlich, »dann eben einen anderen Ort, Marius.« Sie stand bei diesen allzu bedeutsamen Worten in der vorderen Nische des Schreins und sprach nur gedämpft, als wittere sie eine Gefahr.
Im Schrein benahmen wir uns stets ehrerbietig, und wir flüsterten auch nicht hinter dem Rücken der Göttlichen Eltern, da wir fanden, dass das ungezogen, wenn nicht gar respektlos war. Es ist schon seltsam, wenn ich es recht bedenke. Aber wir konnten nicht davon ausgehen, dass Akasha und Enkil uns nicht hörten, deshalb gingen wir, wenn wir uns unterhalten wollten, oft nach vorn in die Nische, meistens die auf der linken Seite, die Bianca bevorzugte und wo sie dann mit ihrem wärmsten Umhang angetan hockte. Als sie mir das jetzt sagte, schaute sie zu Der Königin auf, als wäre ihr bewusst, wie man die Worte auslegen konnte.
»Sie mag wünschen, dass wir nicht länger müßig in ihrem Schrein herumtrödeln.«
Ich nickte. Was sollte ich sonst machen? Und doch – so viele Jahre hatten wir auf diese Art hingebracht, dass ich mich außerordentlich an den Ort gewöhnt hatte. Und dass Bianca treu zu mir stand, nahm ich als selbstverständlich hin. Ich setzte mich neben sie. Als ich ihre Hand in die meine nahm, fiel mir zum ersten Mal auf, dass meine Haut nicht mehr schwarz war, sondern den Farbton dunkler Bronze angenommen hatte; auch waren die meisten Falten verschwunden.
»Ich will dir etwas gestehen«, sagte ich. »Wir können nicht einfach wieder in ein ganz normales Haus ziehen, wie einst in Venedig.« Sie hörte mich ruhig an.
Ich fuhr fort: »Ich fürchte diese Kreaturen – Santino und seine Teufelsbrut. Zwar sind seit dem Feuer mehrere Jahrzehnte vergangen, aber sie drohen immer noch aus ihren Verstecken heraus.«
»Woher weißt du das?«, fragte sie. Sie schien noch eine Menge dazu zu sagen zu haben, doch ich bat sie um Geduld. Ich stand auf und suchte aus meinen Besitztümern den Brief von Raymond Gallant.
»Lies das«, sagte ich, »und du wirst – unter anderem –
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