Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
Lichtes‹ fürchten. Sie glauben inzwischen, es sei nicht Gottes Wille, dass sie kostbare Kleider tragen oder Kirchen aufsuchen. Und dein Amadeo trägt nun den Namen Armand. Der Abtrünnige sagte, dass Amadeo den fanatischen Glaubenseifer eines Bekehrten zur Schau stellt.« Ich konnte vor lauter Elend gar nichts sagen, sondern schloss nur die Augen. Als ich sie wieder aufschlug, heftete ich den Blick auf das Feuer, das munter in der Tiefe des Kamins flackerte. Langsam schaute ich zu Raymond Gallant hinüber, der mich durchdringend betrachtete.
»Ich habe dir wirklich alles erzählt«, sagte er. Ich zeigte ein kleines, trauriges Lächeln und nickte. »Du warst in der Tat großzügig. Und in der Vergangenheit zog ich oft, wenn jemand großzügig zu mir war, eine Börse voll Gold aus meinem Wams. Aber das wird wohl hier nicht benötigt?«
»Nein«, sagte er liebenswürdig, während er den Kopf schüttelte, »Gold brauchen wir nicht, Marius. Das hatten wir stets im Überfluss.«
»Was kann ich sonst für dich tun?«, fragte ich. »Ich stehe in deiner Schuld. Seit jener Nacht in Venedig stehe ich in deiner Schuld.«
»Sprich mit einigen unserer Mitglieder«, entgegnete er. »Erlaube ihnen, hierher ins Zimmer zu kommen. Erlaube ihnen, dich zu sehen, dir Fragen zu stellen. Sag ihnen nur, was dir genehm ist. Aber lass sie eine Wahrheit sehen, die sie festhalten können, als Lehrmaterial für andere.«
»Natürlich, das will ich gern«, erklärte ich, »aber nicht hier in dieser Bibliothek, Raymond, so schön sie auch ist. Lieber irgendwo im Freien, denn ich fürchte mich instinktiv vor Sterblichen, die wissen, was ich bin.« Ich unterbrach mich. »Ich glaube fast, ich bin noch nie unter Menschen gewesen, die das wussten.« Raymond überlegte einen Augenblick, dann sagte er: »Im Hof ist zu viel Lärm, die Ställe sind zu nah. Wie wär’s mit einem der Türme? Es wird kalt sein, aber ich werde ihnen sagen, dass sie sich warm anziehen sollen.«
»Ist euch der Südturm recht?«, fragte ich. »Aber keine Fackeln! Die Nacht ist klar, und es ist Vollmond, alle werden mich sehen können.«
Ich eilte aus dem Raum, rannte die Stufen hinab und schlüpfte durch eines der schmalen Fenster. Dann begab ich mich mit übernatürlicher Schnelligkeit auf die Zinnen des Südturms und wartete dort im leichten Wind darauf, dass sich alle um mich versammelten. Natürlich musste es auf sie wie Zauberei wirken, doch dass dem nicht so war, war einer der Sachverhalte, die ich ihnen erklären wollte. Innerhalb einer Viertelstunde hatten sie sich alle eingefunden, mehr als zwanzig gut gekleidete Männer jeden Alters und zwei stattliche Frauen, die nun alle im Kreis um mich herumstanden. Keine Fackeln, nein. Ich war also nicht in Gefahr. Eine ganze Weile erlaubte ich ihnen, mich nur zu betrachten und sich einen Eindruck von mir zu verschaffen, dann sagte ich: »Ihr müsst mir Fragen stellen. Ich meinerseits gebe offen zu, dass ich ein Bluttrinker bin. Ich lebe schon seit Hunderten von Jahren, und ich kann mich genau erinnern, dass ich einst ein Sterblicher war. Das war im Rom der Kaiserzeit. Ihr dürft das aufzeichnen. Ich habe mich seelisch nie von dieser Zeit als Sterblicher gelöst, ich will es auch gar nicht.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen, doch dann begann Raymond, Fragen zu stellen. Ja, irgendwo »begann« es mit uns, erklärte ich, aber darüber dürfe ich nichts sagen. Ja, wir würden im Laufe der Zeit immer stärker. Ja, wir neigten dazu, allein zu bleiben oder bei der Wahl eines Gefährten zumindest sehr sorgfältig vorzugehen. Ja, wir könnten weitere unserer Art »erschaffen«. Nein, wir seien nicht von Natur aus bösartig, und wir hegten eine tiefe Liebe zu den Sterblichen, was für unseren Verstand nur zu oft zum Verderben führte.
Es gab zahllose weitere Fragen, die ich alle nach bestem Vermögen beantwortete. Ich sagte nichts darüber, was uns die Sonne oder das Feuer antun konnten. Was den »Orden« der Vampire in Paris anging, so wusste ich kaum etwas darüber. Schließlich sagte ich: »Ich muss euch jetzt verlassen. Ich muss vor Sonnenaufgang noch Hunderte von Meilen zurücklegen. Meine Behausung ist in einem anderen Land.«
»Aber wie reist Ihr?«, fragte jemand.
»Mit dem Wind«, erklärte ich, »es ist eine Gabe, die mir im Laufe der Jahrhunderte zugefallen ist.«
Ich ging zu Raymond und zog ihn abermals in meine Arme, und dann wandte ich mich an die anderen und bat sie, zu kommen und mich zu berühren, damit
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