Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
ich hoch oben in einem der Glockentürme der Kirche Notre-Dame ein Versteck und begab mich von da aus mit der Gabe des Geistes auf die Suche nach den irrgläubigen Unholden.
Diese verächtlichen, abscheulichen Kreaturen hatten sich tatsächlich, wie schon vor Jahrhunderten in Rom, auch hier in Paris einen riesigen Bau in den Katakomben eingerichtet. Diese Katakombe befand sich unter dem Friedhof Les Innocents, und in dieser Bezeichnung lag eine traurige Wahrheit, fand ich, als ich ihre wirren, monotonen Gelübde auffing, die sie anstimmten, ehe sie in die Nacht hinausströmten, um Gewalt und Tod über die Pariser Bevölkerung zu bringen. »Alles um Satans willen, alles für Beelzebub, alles, um Gott zu dienen, und danach tun wir Buße.« Es fiel mir nicht schwer, Amadeo zu finden. Ich durchforschte die Gedanken mehrerer dieser Geschöpfe, sodass ich ihn knapp eine Stunde nach meiner Ankunft schon ausgemacht hatte. Er schritt durch eine enge mittelalterliche Gasse und dachte im Traum nicht daran, dass ich ihn von oben in bitterem Schweigen beobachtete. Er trug Lumpen, und sein Haar war dreckverklebt. Als er sich über sein erstes Opfer, eine Frau, hermachte, tötete er sie qualvoll, was mich anwiderte.
Eine Stunde oder länger folgten meine Augen ihm, während er seinen Weg fortsetzte, einen weiteren Unglücklichen aussaugte und dann im Bogen zurück zu dem riesigen Friedhof ging. Ich lehnte an den kalten Steinen des Turmgelasses und lauschte, wie er in seiner Zelle tief unter der Erde seinen »Orden« der Teufelsjünger, wie er es nannte, zusammenrief und von ihnen Rechenschaft darüber verlangte, wie jeder Einzelne, um der Liebe Gottes willen, Angst und Schrecken verbreitet hatte. »Kinder der Finsternis, das Morgengrauen naht, jeder von euch öffne mir nun seine Seele.«
Wie fest und klar seine Stimme war! Wie von keinem Zweifel getrübt seine Worte! Und wie schnell hagelten seine Ermahnungen, wenn eines der Kinder Satans nicht grausam und gnadenlos genug getötet hatte. Aus dem Mund des Knaben, den ich einst gekannt hatte, drang die Stimme eines Mannes und ließ mich zu Eis erstarren.
»Warum schenkte man euch die Gabe der Finsternis?«, fragte er scharf einen Saumseligen. »Morgen Nacht wirst du zweimal zuschlagen. Und wenn ihr alle mir nicht mehr Hingabe erweist, werde ich euch für eure Sünden strafen und neue Mitglieder in den Orden aufnehmen.«
Es war so abstoßend. Bald schon konnte ich es nicht mehr ertragen! Ich stellte mir vor, wie ich mich in diese Unterwelt stürzte und seine Anhänger verbrannte, während ich ihn dort herausholte und ins Licht zerrte und ihn mit zu dem Schrein Jener, die bewahrt werden müssen nahm. Ich würde ihn inständig bitten, seiner Berufung zu entsagen.
Aber ich tat es nicht. Ich brachte es nicht fertig. Viele, viele Jahre gehörte er nun zu ihnen. Sein Geist, seine Seele, sein Körper gehörten denen, über die er herrschte, und nichts von all dem, was ich ihn gelehrt hatte, hatte ihm die Kraft verliehen, ihnen Widerstand zu leisten. Er war nicht mehr mein Amadeo. Um das zu erfahren, war ich nach Paris gekommen, und nun hatte ich die Bestätigung. Trauer überkam mich und Verzweiflung. Aber Zorn und Abscheu waren es wohl, die mich dazu brachten, Paris noch in der gleichen Nacht zu verlassen. Hauptsächlich sagte ich mir, dass er sich allein, aus eigener Kraft, aus der geistigen Finsternis des »Ordens« befreien musste. Ich konnte das nicht für ihn tun. In Venedig hatte ich lange und hart daran gearbeitet, seine Erinnerung an das Höhlenkloster auszulöschen. Und nun hatte er hier einen neuen Platz gefunden, in dem Entsagung und starre Rituale regierten. Und die mit mir verbrachten Jahre hatten ihn nicht davor bewahrt. Eigentlich hatte sich der Kreis schon vor langer Zeit für ihn geschlossen, er war wieder der Mönch, der Priester. Er war der Narr um Satans willen, wie er einst im fernen Russland der Narr um Gottes willen gewesen war. Die Zeit mit mir in Venedig war zu kurz gewesen, ein Nichts, ohne Bedeutung. Als ich dies alles, so gut ich es vermochte, Bianca erklärte, war sie betrübt, aber sie bedrängte mich nicht.
Unser Umgang miteinander war unbeschwert wie immer, sie hörte mich an und reagierte ohne Zorn.
»Vielleicht änderst du irgendwann deine Meinung«, sagte sie. »Von uns beiden bist du derjenige, der die Kräfte hat, dorthin zu gelangen und die zu bekämpfen, die sich seiner Entführung widersetzen.
Und ich denke, entführen müsstest du ihn, mit
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