Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
uns wiederhätte, und tanzte im Kreis durch die große Halle des Schlosses. Sie begeisterte sich an den Möbeln, die die neuen Räume füllten, war hingerissen von den reich verzierten, kassettierten Bettgestellen und den farbenprächtigen Vorhängen. Und mir ging es ebenso.
Aber wir stimmten darin überein, dass wir nicht, wie ich damals in Venedig, in der Welt der Sterblichen leben wollten. Das war einfach zu gefährlich. Und da wir kaum Dienerschaft hatten und uns nirgendwo sehen ließen, ging in Dresden das Gerücht um, dass das Schloss von seinen Besitzern, einem adeligen Paar, nicht bewohnt würde.
Wenn wir eine berühmte Kathedrale – und es gab viele – oder einen königlichen Hof besuchen wollten, wählten wir eine weit entfernte Stadt, wie zum Beispiel Weimar oder Eisenach oder Leipzig, und hüllten uns in geradezu grotesk üppige Kleider. Nach unserem kargen Leben in den Alpen empfanden wir das alles als sehr angenehm und genossen es ungemein.
Aber jeden Abend suchte mein Blick die Stadt Dresden, jeden Abend wartete ich darauf, die Schwingungen eines mächtigen Bluttrinkers wahrzunehmen – in Dresden.
Und so gingen die Jahre dahin, und mit ihnen änderte sich die Mode radikal, was uns außerordentlich amüsierte. Bald schon trugen auch wir überladene Perücken, die wir lächerlich fanden. Und wie sehr mir die Hosen missfielen, die zum guten Stil gehörten, ebenso wie die hochhackigen Schuhe und die dazugehörigen weißen Strümpfe!
In unserem abgeschiedenen Haushalt konnten wir für Bianca nicht die nötigen Zofen halten, so war ich es, der ihr das einengende Korsett schnürte. Aber was für einen köstlichen Anblick bot sie dann in ihrem weit ausgeschnittenen Mieder und den wogenden Reifröcken.
Während jener Zeit schrieb ich häufig an die Talamasca. Raymond starb im Alter von neunundachtzig, aber ich baute bald zu einer Frau namens Elizabeth Nollis eine neue Verbindung auf, der meine Briefe an Raymond zur persönlichen Durchsicht übergeben worden waren. Sie bestätigte mir, dass Pandora immer noch mit ihrem asiatischen Freund gesehen wurde. Sie bat mich, ihr doch mitzuteilen, welche Fähigkeiten ich hätte und welche Gewohnheiten ich übte, doch enthüllte ich ihr nicht allzu viel. Ich erwähnte das Gedankenlesen und die Fähigkeit, der Gravitation zu trotzen. Aber ich trieb sie zur Verzweiflung, weil ich mich nur sehr ungenau äußerte. Diese Briefe hatten für mich die merkwürdige und äußerst erfreuliche Auswirkung, dass ich sehr viel über die Talamasca erfuhr. Sie war reicher, als man es sich je erträumen konnte, sagte Elizabeth, und darauf beruhte die Freiheit, die diese Institution genoss. Sie hatten erst kürzlich ein weiteres Mutterhaus in Amsterdam und eins in Rom errichtet. Dies ließ mich staunen, und ich warnte sie bezüglich des »Ordens«, den Santino in Rom führte. Daraufhin erhielt ich von ihr eine erstaunliche Antwort.
Es scheint nun so, dass jene merkwürdigen Damen und Herren, über die wir in der Vergangenheit berichteten, nicht länger in der Stadt weilen, in der sie sich mit solch sichtlichem Vergnügen breit gemacht hatten. Es fällt unserem Mutterhaus in der Tat schwer, Berichte über Aktivitäten zu bekommen, wie man sie von diesen Leuten erwarten würde.
Was konnte das bedeuten? Hatte Santino seinen »Orden« im Stich gelassen? Waren sie massenweise nach Paris gezogen? Und weshalb?
Ohne mich Bianca, die immer häufiger allein jagte, näher zu erklären, machte ich mich nach Rom auf, um selbst die heilige Stadt zu erkunden, die ich seit mehr als zweihundert Jahren nicht mehr besucht hatte. Ich war vorsichtig, viel, viel vorsichtiger, als ich es je hätte zugeben wollen. Als ich ankam, erfasste mich die Angst vor dem Feuer nämlich so heftig, dass ich zuerst einmal auf der obersten Plattform des Petersdoms blieb und meinen Blick aus kalten, beschämten Augen über Rom gleiten ließ. Lange war ich nicht in der Lage, mein scharfes vampirisches Gehör einzusetzen, denn sosehr ich mich auch anstrengte, ich konnte meine Gefühle einfach nicht beherrschen.
Aber bald schon stellte ich mit Hilfe der Gabe des Geistes fest, dass sich nur noch wenige Bluttrinker in Rom aufhielten, und sie alle jagten allein, ohne einen tröstlichen Gefährten. Auch waren sie schwach, und als ich ihre Gedanken las, erkannte ich, dass sie kaum etwas über Santino wussten. Wie war es dazu gekommen? Wie hatte der, der meinem Leben solche Zerstörungen zugefügt hatte, es fertig
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