Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
Kleine ist nun seit vielen Jahren deine Gefährtin«, sagte ich, »und sie liebt dich vorbehaltlos. Immer und immer wieder gebe ich ihr von meinem starken Blut. Aber was ist das im Vergleich zu deinem? Wenn sie je von mir getrennt werden sollte, müsste ich Angst um sie haben. Bitte, lass sie von dir trinken. Schenke ihr deine kostbare Kraft.«
Nur süßes Schweigen folgte, ging auf in den glitzernden Flämmchen der vielen Kerzen und dem Duft von Wachs und Öl, den schimmernden Lichtreflexen in den Augen der Königin. Doch in meinem Geist sah ich als Antwort auf mein Flehen ein Bild; ich sah meine süße Bianca an der Brust der Königin liegen, und für eine winzige Sekunde waren wir nicht in dem Schrein, sondern in einem großen Garten. Ich spürte den leichten Wind, der durch die Bäume fuhr. Ich roch die Blumen. Dann hatte mich der Schrein wieder, wo ich mit ausgestreckten Armen am Boden kniete. Sofort wandte ich mich flüsternd und winkend an Bianca, damit sie zu mir käme. Sie gehorchte, ohne zu ahnen, was ich vorhatte, und ich dirigierte sie die Stufen hinauf und dicht an die Kehle der Königin, dabei verdeckte ich sie mit meinem Körper, sodass ich es sofort merkte, falls Enkils Arm sich hob.
»Küss ihre Kehle«, hauchte ich. Bianca zitterte. Ich glaube, sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen, aber sie tat wie geheißen, und dann sah ich, wie sie ihre kleinen Fangzähne in die Haut der Königin senkte, und ich spürte, wie ihr Körper in meinen Armen steif wurde. Eine ganze Weile trank sie, und mir schien, ich könnte die Herzschläge der beiden vernehmen, wie sie gegeneinander zu kämpfen schienen, der eine laut und stark, der andere gedämpft und zaghaft, und dann sank Bianca rückwärts in meine Arme, während ich zusah, wie die beiden winzigen Wunden an Akashas Hals sich schlossen. Es war geschehen. Mit Bianca im Arm zog ich mich in unsere Ecke zurück. Sie seufzte ein paar Mal tief, ihr Körper wogte, dann wandte sie sich um und schmiegte sich an mich. Sie streckte die Hand aus und betrachtete sie. Beide sahen wir, wie weiß sie nun war, wenn sie auch immer noch den Schimmer menschlichen Fleisches hatte. Ich fühlte mich im tiefsten Innern wundersam beruhigt. Erst jetzt gestehe ich mir ein, was dieses Ereignis für mich bedeutete. Denn die ganze Zeit über hatte ich unter Schuldgefühlen gelitten, weil ich Bianca belogen und getäuscht hatte, und nun, da ich ihr zu diesem Geschenk, dem Blut der Mutter, verholfen hatte, empfand ich eine kaum zu ermessende Erleichterung.
Ich hoffte, dass Die Mutter Bianca noch einmal zu trinken erlaubte, und so kam es tatsächlich. Sogar häufiger. Und mit jeder neuen Gabe des Göttlichen Blutes nahmen Biancas Kräfte um ein Vielfaches zu.
Aber lass mich der Reihe nach weitererzählen. Die Reise zu dem neuen Schrein war mühsam. Wie in der Vergangenheit musste ich mich beim Transport der schweren steinernen Sarkophage, in denen die Göttlichen Eltern ruhten, auf Sterbliche verlassen, was mir beträchtliches Unbehagen verursachte, wenn es auch nicht so schlimm war wie zu früheren Zeiten. Ich glaube, ich war endlich überzeugt davon, dass sich Akasha und Enkil selbst schützen konnten. Ich weiß nicht, wieso ich diesen Eindruck gewann. Vielleicht, weil sie mir den Schrein geöffnet und die Kerzen entflammt hatten, als ich so schwach und elend war.
Wie auch immer, sie kamen ohne Schwierigkeiten in unserem neuen Heim an, und während Bianca in Ehrfurcht erstarrt zusah, holte ich sie aus ihren Särgen und setzte sie nebeneinander auf ihren Thron. Ihre schleppenden, gehorsamen Bewegungen, die schwerfällige Biegsamkeit ihrer Gliedmaßen – das alles weckte leises Entsetzen in ihr. Aber da sie nun das Blut Der Mutter getrunken hatte, beeilte sie sich doch, mir zur Hand zu gehen, als ich Akasha das fein gesponnene Gewand anzog und Enkil den kniekurzen Lendenschurz überstreifte, wie sie auch half, ihnen die Flechten zu glätten und der Königin die Armreifen anzulegen.
Als das alles getan war, kümmerte ich mich persönlich um Lampen und Kerzen. Dann knieten wir beide nieder und baten darum, dass Die Eltern in ihrem neuen Schrein zufrieden sein mögen. Dann erst machten wir uns auf in die Wälder, auf der Suche nach den erwähnten Wegelagerern. Ihre Stimmen hatten wir schon gehört, schnell nahmen wir auch ihre Ausdünstungen wahr, und bald gab es im Wald ein nettes Festmahl und einen Packen gestohlenes Gold als prächtige Dreingabe.
Bianca verkündete, dass die Welt
Weitere Kostenlose Bücher