Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
ich nicht, um mich in den Besitz des heiligen Urkerns zu bringen, sondern aus Liebe zu Akasha, aus der festen Überzeugung heraus, dass sie zu mir gesprochen und mir befohlen hatte, sie zu retten, und weil sie mir ihr kostbares Blut gegeben hatte.
Versteh das recht, es gab nichts Stärkeres als diesen Urquell. Ihr Blut machte mich zu einem furchteinflößenden Bluttrinker, der es mit jedem einzelnen dieser alten versengten »Götter« aufnehmen konnte, die mir später auf den Fersen waren. Aber du musst auch das sehen: Was mich leitete, war keine religiöse Regung. Für mich stellte der »Gott« der Druidenhaine ein Ungeheuer dar. Und ich sah, dass Akasha auf ihre Art ebenfalls ein Ungeheuer war. Auch ich war ein Ungeheuer. Und ich hatte nicht die Absicht, eine Glaubensgemeinde für sie zu sammeln. Sie blieb mein Geheimnis. Und von dem Augenblick an, als sie in meine Hände fiel, waren sie und ihr Gatte wirklich und wahrhaftig Jene, die bewahrt werden müssen.
Das hielt mich nicht von tief empfundener Verehrung für sie ab, sodass ich ihr einen verschwenderisch ausgestatteten Schrein errichtete; und ich träumte davon, dass sie, die ja schon einmal stumm zu mir gesprochen hatte, es auch wieder tun würde. Die erste Stadt, in die ich das geheimnisumwitterte Paar brachte, war Antiochia, eine ganz erstaunliche Stadt im Orient – damals eine römische Stadt, geformt von dem gewaltigen Einfluss des Hellenismus. Eine Stadt, die aus neuen, prachtvollen römischen Gebäuden bestand, eine Stadt mit großen Bibliotheken und Philosophenschulen, und obwohl ich sie ja nur bei Nacht durchstreifte – ein Gespenst meines früheren Selbst –, so konnte ich doch in aller Heimlichkeit geniale Männer beobachten und wundersame Dinge erlauschen.
Trotzdem waren meine ersten Jahre als Hüter Der Mutter und Des Vaters bittere, einsame Jahre, und das Schweigen des Göttlichen Paares empfand ich als ausgesprochen grausam. Ich wusste jämmerlich wenig bezüglich meiner eigenen Natur und brütete unaufhörlich über mein Los, das mir Unsterblichkeit zugedacht hatte.
Akashas Schweigen fand ich schreckenerregend und verwirrend. Warum hatte sie mich darum gebeten, sie aus Ägypten herauszuschaffen, wenn sie dann nur in ewigem Schweigen auf ihrem Thron saß? Manchmal schien es mir, dass Selbstzerstörung meiner jetzigen unerträglichen Existenz vorzuziehen wäre. Dann trat Pandora in mein Leben, eine außerordentliche Frau, die ich schon seit ihrer Kindheit kannte. Damals, in Rom, war sie ein frühreifes Mädchen gewesen, und ich war sogar zu ihrem Vater gegangen und hatte ihn um ihre Hand gebeten. Und nun war sie hier, in Antiochia, in der Blüte ihres Lebens nicht weniger lieblich anzusehen als einst in ihrer Jugend, und sie erfüllte meinen Geist mit unstillbarem Verlangen.
Unser beider Leben wurden in verhängnisvoller Weise miteinander verknüpft. Pandora wurde nämlich so schnell und gewaltsam zum Bluttrinker gemacht, dass ich vor Schuldbewusstsein und Verwirrung geschwächt war. Aber Pandora glaubte fest, dass Akasha unsere Vereinigung durch Das Blut bewirkt hatte; Akasha hatte sich meiner Einsamkeit angenommen, Akasha hatte Pandora zu mir geführt.
Wenn du den Ratstisch gesehen hast, um den wir saßen, nachdem Akasha sich aus ihrem Schrein erhoben hatte, dann musst du auch Pandora gesehen haben; sie war die hoch gewachsene, weißhäutige Schönheit mit dem in Wellen fallenden braunen Haar, die inzwischen ein machtvolles Kind der Jahrtausende ist, so wie du und auch ich.
Du wirst dich fragen, warum ich jetzt nicht mit ihr zusammen bin. Was lässt mich meine Bewunderung für ihren Geist, für ihre bezaubernde Schönheit und ihr ausgezeichnetes Verständnis der Dinge nicht zugeben? Warum kann ich nicht zu ihr gehen?
Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, welch schrecklicher Zorn und Schmerz uns trennt, wie schon einst vor vielen Jahren. Ich kann einfach nicht zugeben, wie sehr ich ihr Unrecht getan habe. Ich kann die Lüge nicht zugeben, mit der ich meine Liebe zu ihr abgestritten habe. Und deshalb, weil ich sie brauche, halte ich mich vielleicht von ihr fern, um dem forschenden Blick ihrer sanften, klugen braunen Augen zu entgehen.
Es stimmt natürlich auch, dass sie mich wegen einiger erst kürzlich vorgefallener Dinge sehr harsch beurteilt. Aber das ist zu schwierig zu erklären.
In jenen alten Zeiten, als wir gerade einmal zwei Jahrhunderte zusammengelebt hatten, war ich derjenige, der unsere Gemeinschaft töricht und grausam
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