Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
waren mit Zierrat versehen. Sie wirkten, als hätten sie vor, sich den üppig gewandeten Bürgern der neuen Hauptstadt Konstantinopel anzuschließen, in der immer noch große Träume in die Realität umgesetzt wurden, obwohl Konstantin inzwischen tot war. Mit ziemlich gemischten Gefühlen bedeutete ich ihnen, Platz zu nehmen. Wie sehr ich mir auch wünschte, ich hätte Mael sterben lassen, zu Avicus fühlte ich mich doch hingezogen – durch seine aufmerksame Miene und die freundschaftliche Art, die er mir entgegenbrachte. Ich konnte nun in aller Ruhe feststellen, dass seine Haut bleicher war als früher und dass die immer noch dunkle Schattierung seine kraftvollen Züge, besonders seinen Mund, wie gemeißelt wirken ließen. Und seine Augen, sie waren klar und zeugten weder von Arglist noch Lug.
Beide blieben stehen. Sie schauten ängstlich besorgt zum Speisesaal mit seinen menschlichen Gästen. Noch einmal drängte ich sie, sich zu setzen. Mael blieb stehen, während er auf mich herabschaute, aber Avicus ließ sich in einem Armstuhl nieder. Mael war immer noch geschwächt, und sein Körper wirkte ausgezehrt. Es war deutlich zu sehen, dass er noch viele Nächte lang von menschlichen Opfern würde trinken müssen, ehe der ihm zugefügte Schaden vollkommen geheilt wäre. »Wie ist es euch ergangen?«, fragte ich aus reiner Höflichkeit. Und dann ließ ich in meiner einsamen Verzweiflung Pandora vor meinem geistigen Auge erstehen, rief sie mir in ihrer ganzen strahlenden Schönheit ins Gedächtnis, in der Hoffnung, ihr Bild den beiden auf diese Art zu senden, sodass Pandora, wo sie auch war, irgendwie meine Nachricht empfangen würde, die ich selbst ihr nicht senden konnte, weil sie von mir Das Blut bekommen hatte, das sie zum Vampir machte.
Ich weiß nicht, ob einer der beiden das Bild meiner verlorenen Liebe sah.
Avicus antwortete höflich auf meine Frage, Mael jedoch sagte kein Wort.
»Es geht uns jetzt besser«, meinte Avicus. »Maels Gesundung schreitet gut voran.«
»Ich möchte euch eine paar Dinge sagen«, rückte ich heraus, ohne zu fragen, ob sie dieses Wissen wünschten. »Ich schließe aus dem, was geschehen ist, dass ihr beide euch eurer Kräfte nicht bewusst seid. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass unsere Kräfte mit den Jahren zunehmen, denn ich bin jetzt behänder und stärker als zu dem Zeitpunkt, als ich zum Bluttrinker wurde. Auch ihr seid eigentlich sehr stark, und dieser Zwischenfall mit den betrunkenen Sterblichen hätte vermieden werden können. Ihr hättet die Mauer erklimmen und über die Dächer entkommen können.«
»Ach, hör doch auf damit!«, sagte Mael unvermittelt. Ich war entsetzt über seine Grobheit. Ich zuckte nur mit den Achseln.
»Ich sah so einiges«, sagte Mael mit leiser, harter Stimme, als ob der gedämpfte Tonfall seinen Worten mehr Nachdruck verliehe. »Ich sah Dinge, als ich von dir trank, Dinge, die du mir zwangsläufig nicht vorenthalten konntest. Ich sah eine Königin auf einem Thron.« Ich seufzte.
Sein Ton war nicht ganz so giftgetränkt wie zuvor. Er wollte die Wahrheit und wusste, durch Feindseligkeit würde er sie nicht bekommen.
Ich wiederum war so voller Sorge, dass ich mich kaum zu rühren oder zu sprechen wagte. Seine Worte hatten tiefste Niedergeschlagenheit in mir ausgelöst, und ich wusste nicht, ob ich eine Chance hatte, mein Wissen verborgen zu halten. Ich starrte meine Malereien an. Ich wünschte, mir wäre ein schönerer Garten gelungen. Ich hätte mich vielleicht geistig in diesen Garten versetzen können. Vage kam mir der Gedanke: Aber du hast einen wunderschönen Garten draußen vor deiner Tür.
»Willst du mir nicht erzählen, was du in Ägypten gefunden hast?«, fragte Mael. »Ich weiß, dass du da gewesen bist. Ich weiß, dass der Gott des Haines dich dorthin schicken wollte. Willst du dich nicht erbarmen und mir erzählen, was du dort vorfandest?«
»Und warum sollte ich Erbarmen mit dir haben?«, fragte ich förmlich. »Selbst wenn ich dort wundersame oder mysteriöse Dinge gefunden hätte, warum sollte ich es dir sagen? Du willst dich nicht einmal wie ein normaler Gast unter meinem Dach niedersetzen! Was herrscht denn zwischen uns beiden? Hass und Geheimnisse?« Ich brach ab. Ich hatte mich zu sehr ereifert. War zornig. Und Zorn ist Ohnmacht. Du kennst ja mein Leitmotiv. Bei diesen Worten setzte Mael sich auf den Stuhl neben Avicus und starrte vor sich hin wie in jener Nacht, als er mir erzählt hatte, wie er zum Vampir geworden
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