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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Widerwille in mir ließ nicht nach, als ich spürte, wie er voller Gier und Not an mir sog. Ich weigerte mich, während er trank, mit meinem Geist in seine Seele einzutauchen, und ich glaube, meine und Avicus’ Augen trafen sich einmal, und mir fiel sein ernster, undurchdringlicher Gesichtsausdruck auf. Endlich war alles vorbei. Ich hatte mich verausgabt. Es dämmerte beinahe schon, und meine restliche Kraft brauchte ich, um mich schnellstens zu meinem Versteck zu begeben. Ich stand auf. Avicus nahm das Wort: »Können wir nun nicht Freunde sein? Feinde sind wir lange genug gewesen.«
    Mael war immer noch sehr mitgenommen von dem, was ihm widerfahren war, und vielleicht gar nicht in dem Zustand, sich dahin gehend, wie auch immer zu äußern, aber er warf mir einen anklagenden Blick zu und sagte:
    »Du hast in Ägypten die Gute Mutter gesehen; das las ich in deinem Geist, als ich dein Blut trank.« Schock und Wut ließen mich erstarren.
    Ich dachte: Ich sollte ihn töten. Er ist ein Lehrstück für mich gewesen, sonst nichts – wie man einen zerstückelten Bluttrinker wieder zusammenflickt –, und nun wäre es an der Zeit zu beenden, was die Trunkenbolde zuvor draußen auf der Straße begonnen hatten. Aber ich sagte und tat nichts. Avicus war enttäuscht.
    »Marius, ich danke dir«, sagte er traurig und müde, während er mich zur Tür begleitete. »Was hätte ich tun können, wenn du dich geweigert hättest, mit mir hierher zu kommen? Ich stehe tief in deiner Schuld.«
    »Es gibt keine Gute Mutter«, erklärte ich. »Und nun leb wohl.« Während ich über die Dächer Roms zurück zu meinem Haus eilte, spürte ich tief in meinem Herzen, dass ich ihnen damit die Wahrheit gesagt hatte.

 
     
     
7
     
    A m folgenden Abend sah ich verblüfft, dass die Wände meiner Bibliothek frisch übertüncht worden waren. Mir war entfallen, dass ich meinen Sklaven diese Anweisung gegeben hatte. Erst beim Anblick der zahlreichen Töpfe mit frischer Farbe in den vielfältigsten Schattierungen erinnerte ich mich daran. Tatsächlich hatte ich nur eines im Kopf – Mael und Avicus –, und ich muss gestehen, dass mich dieses Konglomerat aus kultivierten Umgangsformen und ruhiger Würde faszinierte, die Avicus zeigte und Mael so gar nicht.
    Mael würde für mich immer der ungebildete, ungeschliffene Barbar bleiben und vor allem der Fanatiker, denn wegen seines fanatischen Glaubens an die Götter des Hains hatte er mir mein Leben genommen.
    Und da ich merkte, dass ich den Gedanken an die beiden nur entkommen konnte, indem ich daranging, die vorbereiteten Wände zu bemalen, begab ich mich sofort ans Werk. Meine Gäste, die natürlich schon bei Tisch saßen, beachtete ich gar nicht und auch die nicht, die durch den Garten und die offene Pforte ein und aus gingen.
    Mach dir bitte klar, dass ich zu jener Zeit nicht mehr so häufig auf die Jagd nach Blut gehen musste, und wenn in jener Hinsicht das wilde Tier in mir übermäßig nach Nahrung verlangte, so schob ich die Jagd doch oft auf bis spät in die Nacht oder die frühen Morgenstunden.
    Also machte ich mich ans Malen. Ich nahm nicht erst nachdenklich mit den Augen Maß, um meine Vorgehensweise zu überlegen, sondern ging energisch ans Werk und bedeckte die Wand mit großen leuchtenden Farbflecken, die sich zu dem üblichen Garten entwickelten, von dem ich so besessen war, und zu den Nymphen und Göttinnen, deren Formen meinem Geist so vertraut waren.
    Diese Wesen hatten für mich keine Namen. Sie hätten den Ovid’schen Versen oder den Schriften des Lucretius entsteigen oder sogar von dem blinden Dichter Homer stammen können. Es war mir einerlei. Ich verlor mich darin, erhobene Arme und anmutig geschwungene Kehlen zu skizzieren, das Oval eines Gesichts und in sanfter Brise wehende Gewänder zu malen. Eine Wand unterteilte ich durch gemalte Säulen, um die sich Reben wanden. Eine andere füllte ich mit streng angelegten Beeten aus stilisierten Bäumchen. Eine dritte Wand versah ich mit schmalen Paneelflächen, in die ich diverse Gottheiten einfügte. Derweil füllte sich das Haus mit der wie stets lärmenden Gesellschaft, und ein paar meiner bevorzugten Trinkkumpanen schlenderten zwangsläufig auch in die Bibliothek und sahen mir bei der Arbeit zu.
    Ich war klug genug, mein Arbeitstempo ein wenig zu drosseln, damit ich sie durch meine übernatürliche Geschwindigkeit nicht erschreckte. Aber sonst beachtete ich sie nicht weiter, und erst als einer der Leierspieler kam und für mich

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