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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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war.
    Als ich ihn jetzt näher betrachtete, sah ich, dass sein Kehle immer noch deutliche Spuren der durchgestandenen Tortur aufwies.
    Seine Schulter wurde zwar von dem Umhang verdeckt, aber ich konnte mir vorstellen, dass es dort nicht anders war. Ich lenkte den Blick zu Avicus und sah überrascht, dass er die Brauen ein wenig runzelte.
    Plötzlich schaute er zu Mael und nahm das Wort: »Tatsache ist, dass Marius uns nicht sagen kann, was er entdeckt hat. Und drängen dürfen wir ihn nicht. Marius trägt eine schreckliche Bürde. Marius hütet ein Geheimnis, das uns alle betrifft – und unseren weiteren Fortbestand.«
    Es war mir also nicht gelungen, meinen Geist verhüllt zu halten, und sie hatten so ziemlich alles herausgefunden. Ich hegte kaum Hoffnung, sie davon abhalten zu können, direkt in das Heiligtum einzudringen. Ich wusste nicht so recht, was ich tun sollte. Ich konnte in ihrer Gegenwart nicht einmal nachdenken. Das war zu gefährlich. Doch so gefährlich es auch sein mochte, ich verspürte den Impuls, ihnen alles zu erzählen. Mael war verstört und erregt von Avicus’ Worten.
    »Bist du dir sicher?«, fragte er.
    »Ja«, gab Avicus zurück. »Mein Geist ist im Laufe der Jahre sehr stark geworden. Was ich an Marius sah, veranlasste mich dazu, meine Kräfte zu erproben. Ich kann sogar ohne willentliche Anstrengung in Marius’ Geist eindringen. Und in der Nacht, als Marius uns zu Hilfe kam, als er neben dir saß, als er deine Heilung beobachtete, während du von mir trankst, gingen ihm viele dunkle Geheimnisse durch den Kopf, und obwohl ich dir das Blut gab, las ich in Marius’ Gedanken.
    Das deprimierte mich derart, dass ich mich zu nichts von dem Gesagten äußerte. Meine Augen schweiften zum Garten draußen. Ich lauschte dem Plätschern des Brunnens. Dann lehnte ich mich in meinen Armstuhl zurück und betrachtet die Schriftrollen meines Tagebuchs, die wirr durcheinander auf meinem Schreibtisch lagen, für jeden Schnüffler offen lesbar. Aber du hast alles Geschriebene verschlüsselt, dachte ich. Doch dann wiederum – ein kluger Bluttrinker könnte es entziffern. Was macht es jetzt noch aus? Plötzlich überkam mich der heftige Wunsch, Mael Vernunft beibringen zu wollen.
    Wieder erkannte ich die Ohnmacht des Zorns. Ich musste den Zorn begraben und bei Mael für Verständnis plädieren.
    »Es stimmt schon«, sagte ich. »In Ägypten fand ich einiges heraus. Aber du musst mir glauben, dass nichts, was ich fand, von Bedeutung ist. Wenn es denn eine Königin gibt, eine Mutter, wie du sie nennst – und merk dir, ich sage nicht, dass es sie gibt –, dann stell dir zuerst einmal vor, dass sie unendlich alt und ganz teilnahmslos ist und ihren Kindern nichts mehr geben kann, dass seit unseren ins Dunkel gehüllten Anfängen so viele Jahrhunderte vergangen sind, dass kein vernünftiges Wesen sie mehr verstehen kann. Und das Ganze liegt praktisch begraben, denn es hat kein Quäntchen Bedeutung mehr.«
    Ich hatte viel mehr als beabsichtigt zugegeben, und nun schaute ich vom einen zum anderen, ob sie Verständnis zeigten und sich damit abfanden.
    Maels Ausdruck zeigte unschuldiges Erstaunen. Aber Avicus’ Miene sagte etwas anderes.
    Er betrachtete mich eingehend, als hätte er den verzweifelten Wunsch, mir alles Mögliche zu sagen. Seine Augen sprachen wortlos mit mir, obwohl sein Geist schwieg, und dann sagte er: »Vor vielen Jahrhunderten, ehe ich nach Britannien geschickt wurde, um in der Eiche als Gott zu dienen, brachte man mich vor sie. Erinnere dich, ich erwähnte es.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Ich sah sie!« Er machte ein Pause. Es schien schmerzhaft für ihn, diesen Moment noch einmal zu durchleben. »Ich musste mich demütigen, musste vor ihr knien, musste meine Eide vor ihr schwören. Ich weiß noch, welchen Hass ich für meine Begleiter empfand. Und sie – ich dachte, sie wäre ein Standbild, aber heute verstehe ich die merkwürdigen Worte, die sie sagten. Und als ich das magische Blut erhielt, gab ich mich dem Wunder hin. Ich küsste ihr die Füße.«
    »Warum hast du mir das nie erzählt?«, wollte Mael wissen. Er schien eher verletzt und verwirrt als zornig oder wütend.
    »Ich habe dir einen Teil erzählt«, sagte Avicus. »Erst jetzt erkenne ich die Zusammenhänge. Ich führte ein so jämmerliches Dasein, verstehst du nicht?« Er sah erst mich, dann Mael an, sein Ton wurde etwas vernünftiger und sanfter. »Marius will es dir doch gerade erklären. Dieser Pfad in die Vergangenheit birgt nur

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