Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold
wurden gestürmt, und vor Angst wahnsinnige Opfer der Gewalt boten Gold und Juwelen an und wurden dennoch getötet. In den breiteren Straßen, in denen ein Fuhrwerk fahren konnte, hievte man kostbare Statuen auf Wagen, und bald häuften sich überall Leichen, während in den Gossen das Blut rann und die unvermeidlichen Feuer nach und nach alles verzehrten, was brennbar war. Die jungen, gesunden Einwohner trieb man zusammen, um sie als Sklaven zu verkaufen, aber Willkür bestimmte nur zu oft das Morden, und ich merkte bald, dass ich nichts zur Rettung Sterblicher beitragen konnte.
Als ich zu meinem Haus zurückkehrte, sah ich mit Entsetzen, dass es schon in Flammen stand. Meine Gäste waren geflohen oder gefangen genommen worden. Meine Bücher brannten! All meine Ausgaben von Vergil, Petronius, Apuleius, Cicero, Lucretius, Homer und Plinius lagen unrettbar in den Flammen. Meine Malereien waren verrußt und zerflossen. Stinkender Qualm legte sich mir schwer auf die Lungen.
Ich hatte kaum Zeit, ein paar mir wichtige Schriftrollen zu packen. Verzweifelt wühlte ich nach dem Ovid, den Pandora so geliebt hatte, und nach den großen griechischen Tragödien. Avicus half mir dabei. Ich suchte nach mehr, wollte meine Tagebücher retten, aber in diesem fatalen Augenblick strömten unter lautem Geschrei und mit erhobenen Waffen gotische Krieger in meinen Garten.
Unversehens zog ich mein Schwert und machte mich daran, sie mit rasender Geschwindigkeit zu enthaupten; ich schrie, wie auch sie schrien, sodass meine übernatürliche Stimme sie ertauben ließ und in Verwirrung stürzte, während ich willkürlich Glieder abhackte. Avicus erwies sich sogar als noch eifriger als ich, möglicherweise, weil er derartige Schlachten eher gewohnt war, und bald lag die ganze Horde tot zu unseren Füßen. Mein Haus allerdings war inzwischen ganz von Flammen eingeschlossen. Die wenigen Schriftrollen, die wir hatten retten wollen, brannten ebenfalls. Man konnte nichts mehr tun. Mir blieb nur, zu beten, dass meine Sklaven eine Zuflucht gefunden hatten, denn andernfalls wären sie bald eine Beute der Eroberer.
»Los, zur Kapelle Jener, die bewahrt werden müssen « , rief ich. »Sonst können wir nirgends hin!«
Flink nahmen wir abermals den Weg über die Dächer, zwischen lodernden Flammen hindurch, die den Nachthimmel erhellten. Rom war ein Tränenmeer, Rom bat flehentlich um Mitleid; Rom lag im Sterben. Rom war dahin.
Obwohl Alarichs Truppen auch die Landbevölkerung nicht verschonten, erreichten wir unbeschadet den Schrein. Unten in der kühlen Kammer der Kapelle zündete ich rasch die Lampen an und fiel dann vor Akasha auf die Knie, ohne mich darum zu kümmern, was Avicus von dieser Geste halten mochte. Flüsternd breitete ich vor Akasha aus, welches tragische Ereignis mein irdisches Heim ereilt hatte.
»Du sahst den Untergang Ägyptens mit an«, sagte ich ehrerbietig. »Du sahst, wie es zu einer römischen Provinz wurde. Nun, jetzt ist Rom an der Reihe, unterzugehen. Elfhundert Jahre hat Rom überdauert, und nun ist es dahin. Wie wird es mit der Welt weitergehen? Wer wird die Tausende von Straßen und Brücken in Stand halten, die die Menschen miteinander verbinden? Wer wird die wunderbaren Städte erhalten, in denen die Menschen sicher in ihren Häusern lebten und ihre Kinder Lesen und Schreiben und die rechte Anbetung der Götter lehrten? Wer wird diese verfluchten Kreaturen zurückdrängen, die nicht fähig sind, das Land zu bebauen, das sie verbrannten, und die für nichts anderes als Zerstörung leben?« Natürlich kam keine Antwort von dem Gesegneten Paar. Ich ließ mich vornüber sinken und berührte Akashas Fuß mit der Hand. Ich seufzte tief.
Und schließlich vergaß ich jede Formalität und kroch in eine Ecke, wo ich mich niederfallen ließ wie ein erschöpfter Junge. Avicus kam und setzte sich neben mich. Er drückte meine Hand.
»Und was ist mit Mael?«, fragte ich leise.
»Mael ist gerissen«, antwortete Avicus. »Mael kämpft gerne. Er hat schon viele Bluttrinker vernichtet. Mael wird es nie wieder dazu kommen lassen, dass er so schwer verwundet wird wie in jener Nacht damals. Und Mael weiß sich zu verbergen, wenn alles verloren ist.«
Sechs Nächte blieben wir in der Kapelle.
Wir konnten die Schreie und das Weinen hören, als das Plündern und Rauben fortging. Aber dann marschierte Alarich ab, um das Land südlich von Rom zu verheeren.
Schließlich veranlasste uns das Bedürfnis nach Blut, wieder in die Welt dort
Weitere Kostenlose Bücher