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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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doppellagige Tunika mit einem Überwurf darüber gekleidet, dazu trug er Beinkleider nach Art der Goten. Mael stand neben ihm, mit ähnlichen, ebenfalls reichen Gewändern angetan. Sein blondes Haar war sorgfältig zurückgekämmt. Sein Gesicht zeigte nicht mehr den bedrohlichen Ausdruck.
    »Wir gehen fort von hier, Marius«, sagte Mael. Seine großen Augen blickten offen. »Komm, begleite uns. Brich diesen todesgleichen Schlaf ab, und komm mit uns.«
    Avicus ließ sich auf ein Knie nieder und stellte die Lampe hinter mich, damit das Licht nicht in meinen Augen schmerzte.
    »Marius, wir gehen nach Konstantinopel. Wir haben ein eigenes Schiff für die Reise, mit eigenen Rudersklaven und eigenem Kapitän; außerdem gut bezahlte Bedienstete, die unsere nächtlichen Umtriebe nicht in Frage stellen werden. Du musst mitkommen. Es gibt keinen Grund, hier zu bleiben.«
    »Wir müssen fort«, sagte Mael. »Weißt du, wie lange du hier gelegen hast?«
    »Ein halbes Jahrhundert«, flüsterte ich schwach, »und währenddessen ist Rom ein zweites Mal verwüstet worden.« Avicus schüttelte den Kopf. »Viel länger, alter Freund«, sagte er, »ich kann gar nicht sagen, wie oft wir versucht haben, dich zu wecken. Marius, das Weströmische Reich gibt es nicht mehr.«
    »Komm mit uns nach Konstantinopel«, drängte Mael. »Das ist jetzt die reichste Stadt der Welt.«
    »Nimm von meinem Blut«, sagte Avicus, während er sich anschickte, sich das Handgelenk aufzureißen, um mich trinken zu lassen. »Wir können dich nicht hier zurücklassen.«
    »Nein«, wehrte ich ab. »Lass mich aus eigener Kraft aufstehen.« Meine Worte kamen so leise, dass ich mich fragte, ob sie sie überhaupt hören konnten. Langsam richtete ich mich auf die Ellenbogen auf, bis ich endlich aufrecht saß; dann erhob ich mich auf die Knie und schließlich auf die Füße. Mir war schwindelig.
    Meine strahlende Akasha, so kerzengerade auf ihrem Thron, starrte blind an mir vorbei. Mein König war unverändert. Jedoch waren beide mit einer dicken Staubschicht überzogen, und es schien ein unvorstellbares Verbrechen, dass sie derart vernachlässigt worden waren. Wie alte Heubündel steckten die welken Blumen in ihren ausgetrockneten Vasen. Und wessen Schuld war das?
    Zögernd bewegte ich mich auf das Podest zu. Und dann schloss ich die Augen. Ich spürte, dass Avicus mich auffing, da ich offenbar beinahe gefallen wäre.
    »Lasst mich bitte allein«, sagte ich ruhig. »Nur eine kleine Weile. Ich muss Dankgebete sprechen für die Tröstungen, die ich hier während meines Schlafes empfangen habe. Ich komme gleich zu euch.« Und mit dem Versprechen, fest auf den Beinen zu bleiben, schloss ich abermals die Augen. Sogleich sah ich in meinem Geist das Bild meiner selbst in dem herrlichen Palast auf dem üppigen Bett, und Akasha, meine Königin, hielt mich in ihren Armen. Ich sah die seidenen Wandbehänge sacht im leichten Wind wehen. Es war keine Vision, die in mir selbst erstand, sondern es war ein Geschenk, und es konnte nur von ihr kommen, das wusste ich.
    Ich schlug die Augen wieder auf und schaute ihr in das harte, vollkommene Gesicht. Eine weniger schöne Frau hätte sicher nicht so lange bestehen können! Kein Bluttrinker hatte je den Mut gehabt, sie zu vernichten. Kein Bluttrinker würde es je tun. Aber plötzlich war ich irritiert. Avicus und Mael waren noch immer hier!
    »Ich komme mit euch«, versprach ich, »aber ihr müsst mich jetzt erst einmal allein lassen. Ihr müsst oben auf mich warten.« Schließlich gehorchten sie. Ich hörte ihre Schritte die Treppe hinauf verhallen. Und dann erklomm ich das Podest und beugte mich, ehrerbietig und kühn wie stets, wieder einmal über meine Königin auf ihrem Sitz, und ich gab ihr den Kuss, der möglicherweise meinen raschen Tod bedeutete.
    Nichts regte sich in dem Heiligtum. Das Gesegnete Paar blieb ganz still. Enkil erhob seinen Arm nicht zum Schlag. Ich spürte keine Regung in Akashas Körper.
    Schnell drückte ich meine Zähne in ihre Kehle. Ich trank in tiefen Zügen und so schnell ich konnte von dem dickflüssigen Blut, und da erschien mir abermals die liebliche Vision von dem sonnenhellen Garten voller Rosen und blühender Bäume, ein Garten, für einen Palast erdacht, in dem jede Pflanze Teil eines königlichen Plans ist. Ich sah die Schlafkammer. Ich sah die goldenen Säulen. Mir schien, ich hörte ein Raunen: Marius. Meine Seele weitete sich. Wie ein Echo klang es abermals durch den mit köstlicher Seide

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