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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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oben zurückzukehren.
    Avicus verabschiedete sich von mir und machte sich auf die Suche nach Mael, während ich selbst mich in einer Straße in der Nähe meines ehemaligen Hauses wiederfand, wo ich auf einen sterbenden Soldaten stieß, dem ein Speer in der Brust steckte. Er war bewusstlos, doch als ich den Speer herauszog, stöhnte er auf. Ich hob den Mann an, beugte mich nieder und schloss meinen Mund über dem aus der Wunde quellenden Blutstrom. Das Blut war gesättigt mit Schlachtenbildern, und ich hatte schon bald genug. Ich arrangierte seine Glieder sorgfältig und legte ihn an den Straßenrand. Und dann spürte ich, dass ich nach mehr hungerte.
    Und jetzt würde mir ein einzelner Sterbender nicht reichen. Ich setzte meinen Weg fort, schritt über verrottete, stinkende Leichen hinweg und an ausgebrannten Häusern vorbei, bis mir ein Soldat über den Weg lief. Er war allein und trug einen mit Beute gefüllten Sack auf dem Rücken. Er wollte sein Schwert ziehen, doch ich übermannte ihn schnell und schlug ihm meine Zähne in die Kehle. Für meinen Geschmack starb er viel zu schnell. Doch ich war befriedigt. Ich ließ ihn zu meinen Füßen niederfallen. Dann erreichte ich mein Haus. Es war vollständig zerstört. Mein Garten, in dem die stinkenden, aufgedunsenen Leichen der Soldaten lagen, bot einen entsetzlichen Anblick. Nicht ein Buch war vom Feuer verschont geblieben.
    Und während ich noch weinend dastand, kam mir plötzlich siedend heiß zu Bewusstsein, dass alle meine ägyptischen Schriftrollen – die frühesten Geschichten über Die Mutter und Den Vater – ebenfalls dem Feuer zum Opfer gefallen waren. Es handelte sich um die Pergamente, die ich in jener Nacht mit fortnahm, als ich Die Eltern aus dem alten Tempel in Alexandria fortbrachte. Sie erzählten davon, wie einst ein böser Geist in das Blut von Akasha und Enkil eingedrungen und so die Rasse der Bluttrinker entstanden war.
    All das war dahin, nur noch Asche. All das hatte ich verloren, mitsamt meinen griechischen und römischen Dichtern und Historikern. Dahin, mitsamt all meinen eigenen Niederschriften. Es schien undenkbar, dass dies alles überhaupt geschehen war, und ich machte mir Vorwürfe, weil ich die alten ägyptischen Sagen nicht kopiert hatte, sie nicht sicher in dem Schrein verwahrt hatte. Cicero und Vergil, Xenophon und Homer konnte man auch in jeder beliebigen fremden Stadt finden. Aber die ägyptischen Sagen? Dieser Verlust ließ sich nie wieder gutmachen. Ich fragte mich: Würde es meiner schönen Königin etwas ausmachen, dass die schriftlich festgehaltenen Geschichten über sie nun vernichtet waren? Würde es ihr etwas ausmachen, dass sie nun einzig in meinem Geist, in meinem Herzen fortdauerten? Ich betrat die Ruinen meiner Zimmer und betrachtete die wenigen Spuren meiner Malereien, die auf dem rußgeschwärzten Putz der Wände noch sichtbar waren. Ich blickte hinauf zu den verkohlten Balken, die jeden Augenblick auf mich hinabfallen konnten. Ich stieg über Berge verbrannten Holzes. Endlich verließ ich die Stätte, an der ich so lange gelebt hatte. Und als ich mich aufmachte, bemerkte ich bald, dass die Stadt sich schon wieder aus den Trümmern zu erheben begann. Nicht alles war niedergebrannt worden. Dazu war Rom viel zu groß, hatte zu viele steinerne Bauten.
    Was bedeutete mir der traurige Anblick von Christen, die ihren Mitbrüdern zu Hilfe eilten, von nackten Kindern, die nach ihren getöteten Eltern schrien? Rom war also nicht ausgelöscht worden! Aber was hieß das schon? Es würde weitere Invasionen geben. Die Menschen, die in der Stadt geblieben waren und sich um den Wiederaufbau mühten, würden Erniedrigungen auf sich nehmen müssen, die ich nicht ertragen konnte.
    Ich begab mich wieder zur Kapelle, ging die Stufen hinunter ins Heiligtum und legte mich, gesättigt und erschöpft, in einer Ecke nieder und schloss die Augen. Dies sollte mein erster langer Schlaf werden.
    Seit ich unsterblich war, hatte ich mich jeden Abend erhoben und die mir von der Dunkelheit zugebilligte Zeit genutzt, hatte gejagt oder die Ablenkungen und Vergnügungen genossen, soweit ich sie wahrnehmen konnte.
    Aber nun kümmerte ich mich nicht um den Sonnenuntergang. Ich war wie du in deiner Höhle aus Eis. Ich schlief. Ich wusste, ich war hier in Sicherheit. Ich wusste, Jene, die bewahrt werden müssen, waren in Sicherheit. Und ich konnte noch zu viel vom Elend der Stadt hören, deshalb beschloss ich, dass ich schlafen wollte. Vielleicht hatte das

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