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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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geschmückten Palast. Das Licht in dem Garten strahlte auf. Dann ein heftiges Erbeben, und ich spürte, ich konnte mehr nicht in mich aufnehmen. Ich löste mich von Akasha. Ich sah zu, wie die winzigen, punktförmigen Wunden sich zusammenzogen und verschwanden. Ich presste meine Lippen darauf und verweilte lange in diesem Kuss. Auf meinen Knien dankte ich ihr aus ganzem Herzen. Ich hatte nicht den mindesten Zweifel, dass sie meinen Schlaf beschützt hatte. Ich wusste es. Ich wusste auch, dass sie mich geweckt hatte. Avicus und Mael wäre das ohne ihr göttliches Zutun nie gelungen. Sie gehörte nun noch fester zu mir als damals, als ich Ägypten mit ihr verließ. Sie war meine Königin. Und dann zog ich mich zurück, mit neuer Kraft, mit klaren Augen, bereit für die lange Reise übers Meer nach Byzanz. Schließlich hatte ich nun Mael und Avicus, die mir helfen konnten, das Göttliche Paar sicher in einem steinernen Sarkophag unterzubringen. Und vor uns lagen viele lange Nächte auf See, in denen ich um mein schönes Italien weinen konnte, mein Italien, das dahin war.

 
     
     
9
     
    I n den folgenden Nächten konnte ich nicht widerstehen, ich musste Rom sehen, obwohl Avicus und Mael mir davon abrieten. Sie fürchteten, mir wäre nicht klar, wie lange ich geschlafen hatte, aber ich wusste es. Beinahe hundert Jahre waren vergangen. Ich fand die erhabenen kaiserlichen Prachtbauten zu Ruinen zerfallen, von Tieren wimmelnd und als Steinlager benutzt, wenn jemand Steine brauchte. Gewaltige Statuen waren umgestürzt und lagen von Unkraut überwuchert. Meine alte Straße war nicht wiederzuerkennen.
    Und die Bevölkerung war auf ein paar tausend Seelen geschrumpft.
    Die Christen legten, indem sie einander hilfreich unterstützten, ein tugendhaftes Verhalten an den Tag, das zu sehen doch sehr erhebend war. Und da einige der Invasoren Christen gewesen waren, waren viele Kirchen unbeschadet davongekommen. Der Bischof von Rom versuchte deshalb, diese Leute ihren Oberherren gegenüber zu verteidigen; auch unterhielt er starke Bande zu Konstantinopel, der Stadt, die Ost und West beherrschte. Doch für die wenigen alteingesessenen Familien, die geblieben waren, gab es bei ihren Bemühungen, den neuen, barbarischen Herren zu dienen, nichts als Demütigungen. Sie konnten nur immer wieder hoffen, dass die rauen Goten und Vandalen vielleicht doch ein wenig Schliff erlangen könnten, ein wenig Liebe zur Literatur und so etwas wie Wertschätzung des römischen Rechts. Wieder einmal staunte ich über die Widerstandskraft des Christentums – dass es sich von Unheil zu nähren schien, wie es sich früher von den Verfolgungen genährt hatte, und wie es während der friedlichen Phasen aufblühte.
    Ich staunte auch über die Unverwüstlichkeit der alten Patrizier, die sich nicht aus dem öffentlichen Leben zurückzogen, sondern die alten Tugenden und Werte, so gut es ging, mühsam durchzusetzen versuchten.
    Überall sah man schnauzbärtige Barbaren mit fettigem, struppigem Haar in bäurisch groben Beinkleidern umhergehen. Viele waren Christen, Arianer, deren Gottesdienstzeremonien sich von denen ihrer »orthodoxen« Brüder und Schwestern stark unterschieden. Was waren das für Landsleute? Goten, Westgoten, Alemannen, Hunnen? Manche konnte ich gar nicht einordnen. Und der Herrscher dieses großen Staates regierte nicht in Rom, sondern im nördlich gelegenen Ravenna.
    Außerdem musste ich feststellen, dass sich eine neue Brut vampirischer Satansjünger in einer vergessenen Katakombe niedergelassen hatte, wo sie ihrem Satan im Zeichen der Schlange huldigten, ehe sie sich in den oberirdischen Gefilden der Stadt über Unschuldige und Schuldige gleichermaßen hermachten. Avicus und Mael fragten sich verwundert, wo diese neuen Eiferer herkamen, waren ihrer aber so überdrüssig, dass sie beschlossen, sie gewähren zu lassen.
    Diese Fanatiker spionierten mir tatsächlich nach, wenn ich durch zerstörte Straßen und leere Häuser wanderte. Sie waren mir verhasst, aber ich sah sie kaum als eine Gefahr an. Das lange Hungern hatte mich stark gemacht. Akashas Blut floss in meinen Adern.
    Doch wie falsch war meine Einschätzung dieser Satansjünger, ach, wie schrecklich falsch! Aber darauf komme ich später noch zu sprechen.
    Lass mich auf die Nächte zurückkommen, in denen ich in den zerborstenen Resten der klassischen Kultur umherstreifte. Ich war deswegen nicht so verbittert, wie man vermuten könnte. Akashas Blut hatte mir in der Tat nicht nur

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