Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
hatten.
    »Wir hatten Angst, sie würden sich gegen uns wenden«, sagte Avicus. »Es erfüllte uns schon mit Schrecken, ihnen nur ins Gesicht zu sehen.«
    Ich nickte zustimmend zu ihren Erklärungen. »Die Göttlichen Eltern haben nie spüren lassen, dass sie dieser Dinge bedürfen. Ich habe aus eigenem Antrieb solchen Kult getrieben. Mag sein, dass ihnen Dunkelheit ebenso gefällt wie brennende Lampen. Seht nur, wie sie jetzt Seite an Seite fest umhüllt unter Deck in ihren Särgen schlummern.«
    Die Visionen, die ich gehabt hatte, erkühnten mich zu diesen Worten, wenn ich auch niemals darüber sprach oder mich der Tatsache rühmte, dass ich ihr heiliges Blut getrunken hatte. Während unserer gesamten Reise hing ein potentieller Schrecken drohend über uns – dass das Schiff, ob tags oder nachts, möglicherweise angegriffen würde und die Göttlichen Eltern im Meer versinken könnten. Es war eine unaussprechlich fürchterliche Vorstellung, weswegen wir sie wohl auch nicht einmal erwähnten. Und jedes Mal, wenn ich deswegen in tiefes Brüten versank, erkannte ich, dass wir besser die sichere Route über Land hätten wählen sollen.
    In den frühesten Morgenstunden dann machte ich mir die schreckliche Wahrheit bewusst: Dass im Falle eines Unglücks ich mich vielleicht vom Grunde des Meeres würde retten können, aber Jene, die bewahrt werden müssen nicht. Was würde in den ge heimnisvollen Tiefen des Meeres mit dem Elternpaar geschehen? Ich litt Höllenqualen. Ich schüttelte diese Gedanken ab und setzte die angenehmen Gespräche mit meinen Gefährten fort. Ich ging an Deck, ließ meine Blicke über das silbrig schimmernde Wasser gleiten und sandte meine Liebe übers Meer zu Pandora.
    Allerdings teilte ich Maels und Avicus’ Enthusiasmus für Byzanz nicht. Ich hatte vor langer Zeit in Antiochia gelebt; Antiochia war eine Stadt des Orients, in der jedoch der westliche Einfluss beträchtlich war, und ich war trotzdem fortgegangen, zurück nach Rom, denn ich war ein Kind der westlichen Hemisphäre. Nun waren wir also unterwegs in eine Hauptstadt, die in meinen Augen ganz und gar orientalisch war, und ich fürchtete, in der gewaltigen Lebenskraft dieser Stadt fände ich nichts, was ich ins Herz schließen könnte.
    Man muss eines wissen: Vom römischen Standpunkt aus war der Orient – und das sind die Länder Kleinasiens und Persien – schon immer fragwürdig wegen seiner nachdrücklichen Neigung zu Luxus und Verweichlichung. Ich, und mit mir viele Römer, glaubten, dass die persische Lebensart Alexander den Großen korrumpiert und damit die griechische Kultur verweichlicht hatte. Und dann hatte die von Persien beeinflusste griechische Kultur Rom degeneriert.
    Natürlich hatte diese Verweichlichung immense kulturelle und künstlerische Impulse mit sich gebracht. Die Römer übernahmen vielfältiges Wissen von den Griechen.
    Trotzdem fühlte ich in meinem tiefsten Innern diesen jahrhundertealten Argwohn dem Orient gegenüber. Natürlich sagte ich davon nichts zu Mael und Avicus. Ich wollte ihre Begeisterung für diesen mächtigen Sitz des oströmischen Kaisers nicht dämpfen.
    Nach langer Überfahrt berühren wir endlich eines frühen Abends das schimmernde Marmarameer und erblickten den imposanten Festungswall Konstantinopels mit seinen unzähligen Fackeln, und zum ersten Mal erkannte ich, wie großartig die Halbinsel war, die Konstantin vor so langer Zeit für sich ausgewählt hatte. Langsam schob sich unser Schiff in den prachtvollen Hafen. Und ich war der Auserwählte, der den Hafenvorsteher, der über die Docks herrschte, bezirzen sollte, damit unsere Ankunft im Hafen und unser Aufenthalt dort geregelt würde, bis wir eine ordentliche Unterkunft gefunden hätten und unsere heilige Fracht, die Sarkophage mit unseren ehrwürdigen Stammeltern, ausschiffen könnten, um sie hier in ihrem Heimatland begraben zu lassen. Natürlich hatten wir einige Sachfragen zu klären, etwa, woher wir einen Agenten bekämen, der uns bei der Haussuche behilflich wäre, und mehr als ein Sterblicher wurde herbeigerufen, um uns zu beraten. Die Angelegenheit regelte sich durch Gold und durch meine Gabe, einen Zauber zu spinnen, und so gab es keine Schwierigkeiten.
    Bald waren wir an Land und bereit, diesen mythischen Ort zu erkunden, der Konstantin von Gott gewiesen worden war, damit er dort die größte Stadt der Welt errichtete.
    Ich kann nicht sagen, dass ich in dieser Nacht enttäuscht worden wäre.
    Unsere erste große Überraschung

Weitere Kostenlose Bücher