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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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übernommen hatte, so musste er den jungen Ward gezwungen haben, als sein Gehilfe zu fungieren.
    In diesen jüngeren Unterlagen kehrte eine bestimmte mystische Formel – oder besser gesagt ein Formelpaar – derart häufig wieder, dass Willett sie bereits auswendig kannte, ehe er seine Suche auch nur zur Hälfte vollendet hatte. Diese Formel bestand aus zwei parallel verlaufenden Spalten, deren linke mit dem altertümlichen Symbol des ›Drachenhauptes‹ überschrieben war, das in Almanachen zur Anzeige des aufsteigenden Knotens dient, die rechte hingegen mit dem entsprechenden Zeichen des ›Drachenschwanzes‹ oder absteigenden Knotens. Beinahe unbewusst erkannte der Arzt, dass es sich bei der zweiten Hälfte eigentlich nur um eine silbenverkehrte Version der ersten handelte, mit Ausnahme der abschließenden einsilbigen Wörter und des eigenartigen Namens Yog-Sothoth, den er im Zusammenhang mit dieser schrecklichen Angelegenheit schon in verschiedenen Schreibweisen in anderen Papieren gelesen hatte.
    Die Formeln lauteten wie folgt – und zwar genau so , wie Willett gern und oft betont –, und die erste weckte in ihm eine unangenehme schlummernde Erinnerung, die er erst später wieder zuzuordnen wusste, als er über die Geschehnisse an jenem grausigen Karfreitag des Vorjahres nachsann.

    Die Formeln waren so gespenstisch, und der Doktor stieß so häufig auf sie, dass er sie schon gedankenlos vor sich hinmurmelte.
    Endlich hatte er das Gefühl, alle Unterlagen bei sich zu haben, die sich für den Augenblick als vorteilhaft erweisen könnten, und entschied, die Suche erst dann fortzusetzen, wenn er die skeptischen Nervenärzte allesamt zu einer gründlichen und systematischeren Durchsuchung des Kellers bewegen konnte. Er musste noch das verborgene Laboratorium finden, also ließ er seine Tasche in dem beleuchteten Raum liegen und betrat erneut den schwarzen, unangenehmen Korridor, durch dessen Gewölbe unablässig das dumpfe, scheußliche Gewinsel hallte.
    Die nächsten Räume, die er untersuchte, standen allesamt leer oder waren nur mit modrigen Kisten und bedrohlich aussehenden Bleisärgen gefüllt, machten aber einen starken Eindruck auf ihn, weil sie von der Größe von Joseph Curwens ursprünglichem Unterfangen kündeten. Er dachte an die verschwundenen Sklaven und Seeleute, an die Gräber, die auf jedem Erdteil geschändet worden waren, und an den Anblick, der sich den Männern damals bei der Erstürmung geboten haben musste; dann entschied er, es sei besser, überhaupt nicht mehr daran zu denken.
    Einmal führte zu seiner rechten Seite eine große Steintreppe nach oben, und er vermutete, dass sie zu einem der Nebengebäude von Curwens Farm geführt haben musste – vielleicht zu dem berüchtigten Steinbau mit den hohen, schlitzartigen Fenstern –, wenn man davon ausging, dass die Treppen, die er hinabgestiegen war, zu dem Haupthaus mit dem Spitzdach geführt hatten.
    Mit einem Mal schienen die Mauern vor ihm zurückzuweichen, und der Gestank und das Gewimmer wurden deutlicher. Willett erkannte, dass er in einen gewaltigen, offenen Raum gelangt war, so groß, dass seine Taschenlampe nicht alle Winkel erreichte. Als er weiterging, stieß er gelegentlich auf stämmige Pfeiler, die das Gewölbe der Decke stützten.
    Nach einiger Zeit erreichte er einen Kreis von Säulen, die wie die Monolithen von Stonehenge angeordnet waren, in der Mitte ein großer, mit eingemeißelten Abbildungen verzierter Steinaltar auf einem dreistufigen Podest. Diese Darstellungen waren so eigenartig, dass er mit der Taschenlampe näher trat, um sie sich genauer anzusehen. Doch als er erkannte, was sie darstellten, wich er schaudernd zurück und machte sich nicht mehr die Mühe, die dunklen Flecken zu untersuchen, die die Oberfläche besudelten und hier und da in verhärteten Rinnsalen an den Seiten herabliefen. Stattdessen fand er die entlegene Mauer und folgte ihr in ihrer gewaltigen Biegung, die gelegentlich durchbrochen wurde von schwarzen Torbögen und Myriaden niedriger Zellen, die mit Eisengittern und Hand- und Fußfesseln ausgerüstet waren, die im Gestein der gerundeten Hinterwand befestigt waren. Diese Zellen waren leer, doch noch immer roch es schrecklich und auch das elende Gestöhne verstummte nicht, es war nun so beharrlich wie nie zuvor und wurde wiederholt von einem glitschigen, dumpfen Plätschern begleitet.
    3
    Jetzt konnte Willett den fürchterlichen Gestank und die unheimlichen Geräusche nicht länger ignorieren.

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