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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Erscheinung, denn während der nächsten Atemzüge wurde er ohne jeden Zweifel von einem Irrsinn gepackt, der dem irgendeines Insassen von Dr. Waites Privatklinik in nichts nachstand. Er ließ die Taschenlampe fallen, da die Muskeln und Nerven seiner Hand ihm nicht mehr gehorchten, und achtete nicht auf das Geräusch mahlender Zähne, das vom Los der Lampe am Grund des Brunnens kündete. Er schrie und schrie und schrie, und das mit einer Stimme, deren panisches Falsett keiner seiner Bekannten je erkannt hätte, und obwohl er nicht aufstehen konnte, kroch und wälzte er sich verzweifelt weg von dem feuchten Steinboden, wo aus Dutzenden von Tartarusschächten erschöpftes Weinen und Kreischen seinen eigenen wahnsinnigen Schreien antwortete. Er riss sich die Hände an den rauen, lockeren Steinen auf und prallte fortwährend mit dem Kopf gegen die Pfeiler, doch er kroch immer weiter.
    In der undurchdringlichen Schwärze und inmitten des Gestanks kam er schließlich wieder zu Sinnen. Er hielt sich die Ohren zu, um das dröhnende Gestöhne nicht mehr hören zu müssen, zu dem die Schreie jetzt geworden waren. Schweiß lief ihm am ganzen Körper herab und er hatte keine Möglichkeit, Licht zu machen; angeschlagen und hilflos lag er in der abgrundtiefen Finsternis, zerschmettert von einer Erinnerung, die er niemals mehr würde auslöschen können. Unter ihm lebten noch Dutzende dieser Geschöpfe, und von einem der Schächte hatte er die Abdeckung entfernt. Er wusste, dass das, was er gesehen hatte, niemals die glitschigen Mauern hinaufklettern konnte, erschauderte aber bei der Vorstellung, es könne irgendwo vielleicht doch ein Halt vorhanden sein.
    Um was für ein Wesen es sich handelte, sollte er nie sagen. Es ähnelte einigen der Darstellungen auf dem teuflischen Altar, aber es lebte. Die Natur hatte es nie in dieser Gestalt erschaffen, denn dafür war es doch zu unfertig . Die Mängel waren sehr überraschend, und die abnormen Proportionen können gar nicht in Worte gefasst werden. Willett erklärt nur so viel, dass dieses Ding eines der Wesen gewesen sein muss, die Ward aus unvollkommenen Saltzen erweckte und für irgendwelche Dienste oder rituelle Zwecke aufhob. Wäre ihnen nicht eine wichtige Bedeutung zugekommen, hätte man ihre Abbildungen nicht in diesen verfluchten Stein eingemeißelt. Es handelte sich nicht einmal um das schlimmste der auf diesem Altar dargestellten Wesen – doch Willett hatte bisher ja keine der anderen Gruben geöffnet.
    In diesem Moment war der erste zusammenhängende Gedanke, den er fassen konnte, die Erinnerung an einen willkürlichen Abschnitt aus einem von Curwens Dokumenten, den er vor langer Zeit gelesen hatte; ein Satz, den Simon oder Jedediah Orne in dem unheilvollen, beschlagnahmten Brief an den verstorbenen Hexenmeister geschrieben hatte: »Es lag fürwahr nichts als lebendiges Grauen in dem, was H. aus dem freisetzte, was er nur zum Theil zu sammeln vermocht.«
    Dann erwachte, mehr zur grausigen Illustration denn zur Verdrängung dieses Gedankens, die Erinnerung an die alten Gerüchte über ein verkohltes, verkrümmtes Wesen, das man eine Woche nach der Durchsuchung bei Curwen auf einem Feld entdeckt hatte. Charles Ward hatte dem Arzt einmal berichtet, was der alte Slocum über diese Kreatur gesagt hatte – dass sie weder ganz einem Menschen noch irgendeiner Tierart entsprochen habe, die die Bürger von Pawtuxet jemals gesehen oder über die sie etwas gelesen hatten.
    Diese Worte hallten im Geist des Arztes wider, während er auf dem salpeterverkrusteten Boden kauerte und sich vor und zurück wiegte. Er versuchte, sie zu vertreiben, und wiederholte immer wieder das Vaterunser; schließlich stammelte er einen Mischmasch aus Erinnerungsbruchstücken, ganz wie Mr. T. S. Eliots modernistisches Wüstes Land, und kehrte am Ende zu der so häufig wiederholten Doppelformel zurück, die er eben erst in Wards unterirdischer Bibliothek entdeckt hatte: »Y’ai’ng’ngah, Yog-Sothoth« und so weiter, bis zum abschließenden »Zhro«.
    Das schien ihm Trost zu spenden, und nach einer Weile stemmte er sich auf. Er beklagte bitterlich den Verlust seiner Taschenlampe und sah sich verzweifelt nach irgendeinem Lichtschimmer in der tintenschwarzen, kühlen Dunkelheit um. Nachdenken wollte er nicht, doch er sah sich angestrengt in jede Richtung um, ob er nicht einen Widerschein der hellen Beleuchtung entdeckte, die er in der Bibliothek zurückgelassen hatte. Nach einer Weile glaubte er, in

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