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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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ziegenbockähnlichen Gesicht erkennen. Zuweilen murmelte er etwas in einem fremdartigen Kauderwelsch und sang in einer bizarren Rhythmik, die den Zuhörer mit einem unerklärlichen Grauen erfüllte. Weithin bekannt war die Abneigung der Hunde ihm gegenüber; er sah sich dazu genötigt, eine Pistole mit sich zu führen, um ungefährdet die Gegend durchqueren zu können. Dass er gelegentlich auch Gebrauch von der Waffe machte, förderte nicht gerade seine Beliebtheit unter den Besitzern von Wachhunden.
    Die wenigen Besucher des Hauses fanden Lavinia oftmals allein im Erdgeschoss vor, während aus dem vernagelten oberen Stockwerk sonderbare Schreie und Schritte zu hören waren. Sie wollte nicht verraten, was ihr Vater und der Junge dort oben eigentlich taten, obwohl sie erbleichte und ungewöhnlich verängstigt wirkte, als einmal der Fischhändler aus Spaß an der verschlossenen Tür zur Treppe rüttelte. Dieser Händler erzählte den Müßiggängern in dem Ladengeschäft von Dunwich, dass er geglaubt habe, das Stampfen eines Pferdes über sich zu vernehmen. Die Bummler überlegten, dachten an die Tür und den Laufsteg, an die Rinder, die so rasch verschwanden. Dann erschauderten sie, als sie sich an die Geschichten aus der Jugend des alten Whateley erinnerten und an die seltsamen Wesen, die aus der Erde herbeigerufen werden, wenn ein Bulle zur rechten Stunde gewissen heidnischen Göttern geopfert wird. Vor einiger Zeit hatte man bemerkt, dass die Hunde mittlerweile das gesamte Anwesen der Whateleys ebenso sehr hassten und fürchteten wie zuvor nur den jungen Wilbur selbst.
    Im Jahre 1917 kam der Krieg, und Richter Sawyer Whateley hatte als Vorsitzender des örtlichen Einberufungskomitees seine liebe Mühe damit, in Dunwich ein Kontingent junger Männer zu finden, die zumindest für die Ausbildung geeignet gewesen wären. Die Regierung, die sich über solche Anzeichen des Verfalls einer gesamten Region bestürzt zeigte, entsandte mehrere Offiziere und medizinische Experten, um eine Reihenuntersuchung durchzuführen, deren Ergebnisse den Zeitungslesern in Neuengland vielleicht noch gegenwärtig sind. Das Aufsehen, das diese Untersuchung erregte, brachte die Reporter auf die Spur der Whateleys, und der Boston Globe sowie der Arkham Advertiser veröffentlichten in ihren Sonntagsausgaben sensationsheischende Berichte über die Frühreife des jungen Wilbur, über die schwarze Magie des alten Whateley mit seinen Regalen voller merkwürdiger Bücher. Das verriegelte Obergeschoss des alten Bauernhauses wurde erwähnt, ebenfalls, wie unheimlich die gesamte Region wirkte, ganz zu schweigen von den mysteriösen Geräuschen in den Bergen. Wilbur war damals viereinhalb und sah aus wie ein Bursche von fünfzehn. Seine Lippen und Wangen waren von einem struppigen dunklen Flaum bedeckt, und er befand sich im Stimmbruch.
    Earl Sawyer ging mit den Reportern und Fotografen beider Zeitungen zum Whateley-Haus und machte sie auf den eigentümlichen Gestank aufmerksam, der nun aus den verriegelten oberen Räumen zu dringen schien. Es handele sich dabei um denselben Geruch, behauptete er, den er in dem verlassenen Werkzeugschuppen bemerkt habe, und er ähnele den schwachen Dünsten, die er zuweilen nahe der Steinkreise auf den Bergen wahrgenommen habe. Die Bewohner von Dunwich lasen die Artikel, sobald sie erschienen, und mussten über offensichtliche Fehler grinsen. Sie fragten sich, weshalb die Autoren der Tatsache so viel Bedeutung beimaßen, dass der alte Whateley seine neu erworbenen Rinder stets mit Goldstücken überaus hohen Alters bezahlte. Die Whateleys empfingen ihre Besucher mit unverhohlenem Widerwillen, aber sie hatten es nicht gewagt, mit handfestem Widerstand oder der kompromisslosen Verweigerung des Gesprächs das öffentliche Interesse weiter anzufachen.
    IV
    Ein Jahrzehnt lang versinkt die Geschichte der Whateleys unmerklich im allgemeinen Leben einer morbiden Gemeinde, die sich an die merkwürdige Lebensweise der Familie gewöhnt hatte und sich mit ihren Orgien in der Walpurgisnacht und zu Allerheiligen abfand. Zweimal im Jahr entzündeten die Whateleys ihre Feuer auf der Spitze des Sentinel Hill, wobei das Donnergrollen in den Bergen mit immer größerer Heftigkeit auftrat; das ganze Jahr hindurch herrschte ein sonderbares und unheimliches Treiben in dem einsamen Bauernhaus. Im Laufe der Zeit behaupteten einige Besucher, dass sie Geräusche aus dem verschlossenem Obergeschoss vernommen hätten, obwohl sich die ganze

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