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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Familie unten aufhielt, und man fragte sich, ob eine Kuh oder ein Bulle für gewöhnlich rasch oder nur langsam geopfert wurde. Man dachte an eine Beschwerde bei der ›Gesellschaft zur Bekämpfung von Grausamkeit an Tieren‹, doch wurde daraus nichts, da die Menschen von Dunwich nie sonderlich erpicht darauf waren, die Aufmerksamkeit der Außenwelt auf sich zu ziehen.
    Um das Jahr 1923, als Wilbur ein Junge von zehn war, dessen Verstand, Stimme, Körperbau und Bartwuchs den Anschein von Reife vermittelten, nahm man ein zweites Mal Ausbesserungsarbeiten an dem alten Haus in Angriff. Im vernagelten Obergeschoss wurde gearbeitet, und wegen der vor dem Haus angehäuften Holztrümmer vermuteten die Leute, dass der Junge und sein Großvater alle Zwischenwände eingerissen und sogar den Speicherboden entfernt hatten, um einen riesigen Raum zwischen dem Erdgeschoss und dem Dach zu schaffen. Sie hatten auch den großen mittleren Schornstein abgerissen und den rostigen Herd mit einem dürftigen Ofenrohr aus Blech versehen.
    Im folgenden Frühjahr bemerkte der alte Whateley die wachsende Anzahl Ziegenmelker, die aus der Cold-Spring-Schlucht kamen, um des Nachts unter seinem Fenster zu zwitschern. Er schien diesem Umstand große Bedeutung beizumessen und erzählte den Müßiggängern in Osborns Laden, dass er glaube, seine Zeit sei nun gekommen.
    »Nu sin se am Pfeifen im Takt mit mei’m Atem«, sagte er, »un ich glaub, se warten nur drauf, sich mein Seel zu schnappen. Wissen halt, dass se bald rausgeht, und wolln se nich verpassen. Ihr werdet’s sehn, Jungs, wenn ich geh, ob se mich kriegen oder nich. Wenn se mich kriegen, dann singen se und lachen se bis morgens. Wenn se mich nich kriegen tun, dann werden se wohl eher ruhig sein. Ich denk ma, dass se mit den Seeln, die se jagen tun, manchma ziemlich heftig am Raufen sin.«
    In der Nacht zum 1. August 1924 wurde Dr. Houghton aus Aylesbury von Wilbur Whateley eilig herbeigerufen, der sein einziges verbliebenes Pferd durch die Dunkelheit gepeitscht und von Osborns Laden im Dorf aus telefoniert hatte. Der Arzt fand den alten Whateley in sehr ernstem Zustand vor, die unregelmäßigen Herztöne und sein röchelnder Atem kündeten von einem baldigen Ende. Die unförmige Albinotochter und der merkwürdige bärtige Enkelsohn standen am Bett, während man aus der leer stehenden Höhle über ihnen ein beunruhigendes gleichmäßiges Wogen oder Rauschen zu hören glaubte, als würden Wellen an einen Strand schlagen. Am meisten verstörten den Doktor jedoch die schreienden Nachtvögel draußen, eine scheinbar zahllose Schar von Ziegenmelkern, die unaufhörlich ihre Botschaft im teuflischem Einklang mit den keuchenden Atemzügen des Sterbenden schrien. Es war unheimlich und unnatürlich – ganz so, dachte Dr. Houghton, wie die gesamte Gegend, die er aufgrund des dringlichen Anrufs hin nur sehr widerwillig betreten hatte.
    Gegen ein Uhr morgens erlangte der alte Whateley das Bewusstsein wieder und unterbrach sein Keuchen, um seinem Enkel ein paar halb erstickte Worte mitzuteilen.
    »Mehr Platz, Willy, bald mehr Platz. Du bis am Wachsen – un das da wächst noch schneller. Is bald soweit, dich zu retten, Jung. Öffne die Pforten für Yog-Sothoth mit dem langen Gesang, den du auf Seite 751 der vollständigen Ausgabe findest, un dann legste Feuer ans Gefängnis. Feuer von der Erd kann’s jetzt nich mehr verbrenn’.«
    Er war offenbar vollkommen verrückt geworden. Nach einer Pause, während der die Schar der Ziegenmelker draußen ihre Schreie dem veränderten Tempo anpassten und aus der Ferne von den Bergen sonderbare Geräusche zu hören waren, fügte er dem noch ein oder zwei Sätze hinzu.
    »Gib’s zu fressen, Willy, un acht drauf, dass es genug is; aber lass es nich zu schnell wachsen weg’m Platz, denn wenn’s ausbricht oder wegkommt, bevor du Yog-Sothoth geöffnet hast, dann is alles vorbei und hat kein’ Sinn. Nur die von drüben können’s vermehrn un arbeiten lassen … Nur die, die Alten, die zurückkomm’ woll’n …«
    Doch seine Worte wichen wieder dem Keuchen, und die Art und Weise, wie die Ziegenmelker dem Wandel folgten, ließen Lavinia aufschreien. So ging es über eine Stunde weiter, bis das letzte kehlige Röcheln erstarb. Dr. Houghton schloss die vertrockneten Lider über den glasig werdenden grauen Augen, als der Lärm der Vögel unmerklich verstummte. Lavinia schluchzte, aber Wilbur kicherte nur, während es in den Bergen schwach grollte.
    »Sie ham ihn nich

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