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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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sprach mit jener sonderbaren volltönenden Stimme, die von Organen hervorgebracht zu sein schien, die denen des Menschen in nichts ähnlich waren.
    »Mr. Armitage«, sagte er, »ich schätz ma, ich muss das Buch mit heimnehm. Da sin Sachen drin, die ich unter gewissen Umständ ausprobiern muss, die ich aber hier nich hab, un es wär ’ne Todsünde, dass irgend’ne Regelung mich davon abhalten würd. Lassen Se’s mich mitnehmen, Sir, un ich schwör, dass niemand was merken tut. Ich brauch Ihnen ja wohl nich zu sagen, dass ich gut drauf achtgeb. Ich war’s nich, der die Dee-Ausgabe so zugerichtet hat …«
    Er verstummte, als er die entschiedene Ablehnung auf dem Gesicht des Bibliothekars sah, und Verschlagenheit mischte sich in seine ziegenbockartigen Züge. Armitage, der Wilbur beinahe erlaubt hätte, eine Abschrift der benötigten Stellen anzufertigen, wurde sich schlagartig der möglichen Konsequenzen bewusst und besann sich eines Besseren. Es wäre verantwortungslos, solch einem Geschöpf den Schlüssel zu derart gotteslästerlichen außerirdischen Sphären in die Hand zu geben. Whateley erkannte, was in seinem Gegenüber vor sich ging, und versuchte möglichst gelassen darauf zu reagieren.
    »Nu, schon gut, wenn Se so drüber denken tun. Vielleicht sin se in Harvard nich so heikel, wie Sie’s sin.« Und ohne ein weiteres Wort erhob er sich und verließ raschen Schrittes das Gebäude, wobei er bei jeder Tür den Kopf einziehen musste.
    Armitage hörte das wilde Gejaule des großen Wachhundes und beobachtete von seinem Fenster aus, wie Whateley mit seinem gorillaähnlichen Gang den Campus überquerte. Er dachte an die wirren Gerüchte, die er gehört hatte, und erinnerte sich an die damaligen Berichte des Advertiser; und da gab es noch die Sagen, die er von den Bauern und Dorfbewohnern Dunwichs während seines einzigen Besuchs dort vernommen hatte. Unsichtbare grässliche Wesen, nicht von dieser Welt – oder zumindest nicht aus der dreidimensionalen Welt – jagten übel riechend durch die Täler Neuenglands und brüteten obszön auf den Gipfeln der Berge. Er hatte es schon lange geahnt. Nun empfand er die entsetzliche Gegenwart des hereinbrechenden Grauens und warf einen Blick in das schwarze Höllenreich eines uralten und einst untätigen Albtraums. Er schloss das Necronomicon mit einem Anflug von Ekel weg, doch war der Raum noch immer von einem unheiligen und unbestimmbaren Gestank erfüllt. »Als eine Fäulnis sollt ihr Sie kennen«, zitierte er. Ja – der Geruch war derselbe, der ihm vor weniger als drei Jahren im Bauernhaus der Whateleys Übelkeit bereitet hatte. Er dachte erneut an den ziegenbockartigen und bedrohlichen Wilbur und lachte höhnisch über die Dorfgerüchte bezüglich seiner Abstammung.
    »Inzucht?«, murmelte Armitage halblaut vor sich hin. »Großer Gott, was für Einfaltspinsel! Zeige denen Arthur Machens Großen Gott Pan, und sie halten es für einen gewöhnlichen Dunwich-Skandal! Aber welches Etwas – welcher verfluchte, formlose Einfluss, mag er aus dieser dreidimensionalen Welt stammen oder auch nicht – war Wilbur Whateleys Vater? Geboren zu Lichtmess – neun Monate nach der Walpurgisnacht des Jahres 1912, als das Gerede über die sonderbaren Geräusche in der Erde sogar bis nach Arkham drang – was ging dort um in jener Mainacht auf den Bergen? Welches Walpurgis-Grauen wurde in halbmenschlichem Fleisch und Blut auf die Welt losgelassen?«
    Während der folgenden Wochen machte Dr. Armitage sich daran, alle möglichen Angaben über Wilbur Whateley und die gestaltlosen Wesenheiten in der Gegend von Dunwich zu sammeln. Er trat in Verbindung mit Dr. Houghton aus Aylesbury, der dem alten Whateley an dessen Sterbebett beigestanden hatte, und die letzten Worte des Großvaters, die ihm der Arzt zitierte, gaben ihm viel zu denken. Ein Besuch in Dunwich ergab nicht viel Neues; doch eine nähere Untersuchung der Stellen des Necronomicon, nach denen Wilbur so eifrig geforscht hatte, erbrachte neue und schreckliche Hinweise auf das Wesen, die Vorgehensweisen und die Absichten des fremdartigen Unheils, das diese Welt zu bedrohen schien. Gespräche mit mehreren Vorgeschichtskundlern in Boston und Briefe an viele weitere Gelehrte andernorts versetzten ihn in wachsende Unruhe, die sich von anfänglicher Bestürzung allmählich zu einem Zustand wahrhaft akuter spiritueller Angst entwickelte. Als der Sommer anbrach, hatte er das dumpfe Gefühl, etwas müsse gegen die lauernden Schrecken am

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