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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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in allen Beratungen eine wichtige Rolle ein und war einer der Ersten, dem sich mehrere Außenstehende näherten, welche die Versammlung dazu nutzten, ihre Fragen und Probleme der Meinung eines Experten zu unterbreiten.
    Zu den Wortführern dieser Leute, und in kurzer Zeit der Brennpunkt des Interesses der gesamten Versammlung, zählte ein gewöhnlich aussehender Mann mittleren Alters, der die lange Reise von New Orleans angetreten hatte, um spezielle Informationen zu erhalten, die er sonst nirgendwo erwarten konnte. Sein Name war John Raymond Legrasse; ein Polizeiinspektor. Er trug den Grund seines Besuches bei sich, eine groteske, abstoßende und allem Anschein nach sehr alte steinerne Statuette, deren Ursprung er nicht zu bestimmen vermochte.
    Man vermute nun nicht, Inspektor Legrasse hätte sich auch nur im Geringsten für Archäologie interessiert. Im Gegenteil war sein Wunsch nach Aufklärung von rein beruflichen Erwägungen getragen. Die Statuette, Götzenbild, Fetisch oder was es auch sein mochte, war vor einigen Monaten in den dicht bewaldeten Sümpfen von New Orleans während einer Razzia bei einem mutmaßlichen Voodoo-Treffen sichergestellt worden – und so eigenartig und scheußlich waren die damit zusammenhängenden Riten, dass die Polizisten vermuteten, auf einen ihnen unbekannten finsteren Kult gestoßen zu sein, unendlich teuflischer als selbst der schwärzeste Voodoo-Zirkel Afrikas. Über den Ursprung der Figur war, abgesehen von den wirren und unglaubwürdigen Geschichten der festgenommenen Mitglieder, nichts in Erfahrung zu bringen, und daher rührte der Wunsch der Polizei nach einer Erklärung der Altertumsforscher, die ihnen dabei helfen mochte, das entsetzliche Gebilde einzuordnen und auf diese Weise gegen den Kult vorzugehen.
    Inspektor Legrasse war wohl kaum auf das Aufsehen vorbereitet gewesen, das sein Mitbringsel auslöste. Allein der Anblick des Dings hatte genügt, um die hier versammelten Männer der Wissenschaft in einen Zustand angespannter Erregung zu versetzen, und sie scharten sich sogleich um ihn und betrachteten die winzige Figur, deren völlige Fremdartigkeit und Ausstrahlung uralter Herkunft den Blick auf unentdeckte und prähistorische Zeiten eröffnete. Keine bekannte Schule der Bildhauerei hatte dieses schreckliche Objekt hervorgebracht, und doch schienen Jahrhunderte oder gar Jahrtausende auf der matten und grünlichen Oberfläche des undefinierbaren Gesteins verzeichnet zu sein.
    Die Figur, die schließlich langsam von Mann zu Mann gereicht wurde, um näher und sorgfältiger untersucht zu werden, war zwischen 21 und 24 Zentimeter hoch und von ausgezeichneter künstlerischer Verarbeitung. Sie stellte ein Ungeheuer von annähernd menschlicher Gestalt dar, das jedoch einen tintenfischähnlichen Kopf besaß und ein Gesicht aus einer Menge Fühler sowie einen schuppigen, gummiartigen Leib, erstaunliche Klauen an Vorder- und Hinterbeinen und lange, schmale Schwingen auf dem Rücken.
    Dieses Ding, das Unterbewusstes mit einer fürchterlichen und unnatürlichen Verderbtheit zu paaren schien, war von einer irgendwie aufgeblähten Dickleibigkeit, und es hockte böse auf einem rechteckigen Block oder Sockel, der mit unentzifferbaren Schriftzeichen bedeckt war. Die Spitzen der Schwingen berührten den hinteren Rand des Blocks, das Ding selbst saß im Mittelteil, während die langen, gebogenen Klauen der gekrümmten, kauernden Hinterbeine den vorderen Rand umklammerten und sich über ein Viertel des Sockels erstreckten. Das Kopffüßerhaupt war nach vorn gebeugt, sodass die Enden der Gesichtsfühler über die Rücken der gewaltigen Vorderpfoten strichen, die um die erhöhten Knie der hockenden Gestalt geschlossen waren. Der Eindruck des Ganzen war abnormerweise lebensecht und umso schrecklicher, da man nichts über den Ursprung dieser Figur wusste. Das hohe, erstaunliche und unermessliche Alter der Figur war unverkennbar; doch keinerlei Hinweis ließ ihre Zugehörigkeit zu irgendeiner bekannten Kunstrichtung aus der Morgenröte der Zivilisation erkennen – oder aus irgendeinem anderen Zeitalter.
    Ein Rätsel für sich war schon das völlig einzigartige Material, denn der seifenartige grünlich-schwarze Stein mit seinen goldfarbenen oder irisierenden Flecken und Streifen hatte mit nichts Ähnlichkeit, was den Geologen oder Mineralogen bekannt war. Die Schriftzeichen am Sockel waren gleichermaßen verwirrend; und keiner der Anwesenden konnte trotz der Tatsache, dass sie die Hälfte der

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