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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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Neugier, während sie mit Hammer und Meißel ein weiteres und größeres Stück entnahmen. Dieses Mal drangen sie tiefer vor, und als sie das Probestück entfernt hatten, sahen sie, dass der Kern des Dings keineswegs gleichförmig war.
    Sie hatten etwas freigelegt, das aussah wie die Oberfläche einer großen farbigen Kugel, die in die übrige Substanz eingebettet war. Die Farbe, die einigen der Strahlen im sonderbaren Spektrum des Meteors glich, war kaum zu beschreiben; nur mit Mühe konnte man überhaupt von einer Farbe sprechen. Die Kugel glänzte, und durch sachtes Klopfen entdeckte man, dass sie anscheinend spröde und hohl war. Einer der Professoren versetzte ihr daraufhin einen heftigen Schlag mit dem Hammer, und mit einem kurzen, leisen Knall barst sie. Kein Gas strömte aus, das Ding war ohne jegliche Rückstände verschwunden. Es hinterließ einen kugelförmigen Hohlraum von ungefähr acht Zentimetern Durchmesser, und alle hielten es für wahrscheinlich, dass man weitere davon entdecken würde, sobald die sie umschließende Substanz dahinschwand.
    Doch alle Mutmaßungen waren sinnlos, und nach einem fruchtlosen Versuch, weitere Kugeln ausfindig zu machen, fuhren die Suchenden mit ihrem neuen Probeexemplar zurück. Dieses verhielt sich im Laboratorium ebenso verwirrend wie sein Vorgänger: Es war plastikähnlich, strahlte Hitze aus, war magnetisch und leuchtete schwach, kühlte in starken Säuren ein wenig ab, besaß ein unbekanntes Farbspektrum, löste sich an der Luft allmählich auf und griff Silizium-Gegenstände so stark an, dass am Schluss nichts mehr davon übrig blieb – sonst konnte man keinerlei Zuschreibungen machen, und nach den Tests mussten die Wissenschaftler der Universität sich eingestehen, dass sie die Substanz nicht einzuordnen vermochten. Sie gehörte nicht zu dieser Welt, war ein Stück von draußen, und deshalb verfügte sie über eigene Eigenschaften und gehorchte eigenen Gesetzen.
    In jener Nacht gab es ein heftiges Gewitter, und als die Professoren am nächsten Tag wieder zu Nahum gingen, erlebten sie eine bittere Enttäuschung. Der Stein musste aufgrund seiner magnetischen Eigenschaft irgendwie elektrisch geladen sein, denn er hatte, wie Nahum es ausdrückte, mit eigenartiger Kraft »den Blitz angezogen«. Der Bauer hatte gesehen, wie binnen einer Stunde sechsmal der Blitz in die Furche in seinem Hof einschlug, und als der Sturm sich gelegt hatte, war nichts übrig geblieben als eine zerklüftete Grube neben dem alten Brunnen, halb verschüttet durch nachgerutschte Erde. Es erwies sich als sinnlos, darin zu graben; die Wissenschaftler konnten bloß noch das völlige Verschwinden des Dings feststellen. Das Gefühl des Scheiterns war überwältigend – es blieb ihnen nichts zu tun, als in das Laboratorium zurückzukehren und die Tests an dem schwindenden Bruchstück fortzusetzen, das man umsichtigerweise in Blei aufbewahrt hatte. Besagtes Bruchstück hielt noch eine Woche vor, und nach Ablauf dieser Frist hatte man nichts Erwähnenswertes in Erfahrung gebracht. Es verschwand, ohne eine Spur zu hinterlassen, und schon nach kurzer Zeit fragten die Professoren sich, ob sie denn wirklich mit wachen Augen jene rätselhafte Probe aus den unermesslichen Abgründen des Weltalls gesehen hatten – jene einsame, unheimliche Botschaft aus anderen Universen und anderen Bereichen der Materie, der Energie und des Seins.
    Wie zu erwarten war, wurde in den Zeitungen Arkhams viel Aufhebens um dieses Ereignis und seine akademische Untersuchung gemacht; Reporter kamen zu Nahum Gardner und seiner Familie, um ihn zu befragen. Mindestens eine Bostoner Tageszeitung sandte ebenfalls einen Schreiberling, und bald darauf wurde Nahum zu so etwas wie einer lokalen Berühmtheit. Er war ein schlanker liebenswürdiger Mann um die fünfzig, der mit seiner Frau und drei Söhnen auf dem gemütlichen Bauernhof im Tal lebte. Er und Ammi besuchten sich häufig gegenseitig, und auch ihre Frauen waren miteinander befreundet; noch viele Jahre später war Ammi voll des Lobes über ihn. Nahum schien ein wenig stolz darauf zu sein, dass seine Heimatscholle so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, und auch in den nachfolgenden Wochen sprach er häufig von dem Meteorit. Der Juli und August dieses Jahres waren heiß; Nahum arbeitete schwer, um das Heu von seiner vier Quadratkilometer großen Weide gegenüber von Chapman’s Brook einzuholen, und sein klappriger Wagen grub tiefe Furchen in die schattigen Wege. Diese

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