Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
magischen Schwertern etc.). »Mathon« ist ein Engelname, der öfters in Listen der »Stunden der Nacht« auftaucht (in der Magie hat jede Stunde des Tages und der Nacht eine regierende »Intelligenz«, also einen Engel, der sie beherrscht und dessen Namen bei Beschwörungen wichtig ist). »Verbum pythonicum« ist »das pythonische Wort«, wobei der Schlangen- und Dämonenname Python hier für die Wassergeister steht. »Mysterium salamandrae« ist »das Geheimnis des Salamanders«; der Salamander ist hier nicht das Tier, sondern der Elementargeist des Feuers. »Conventus sylvorum« ist »die Zusammenkunft der Sylphen«, also der Geister der Luft. »Antra gnomorum« ist »die Höhle der Gnomen«, der Erdgeister. Hier wird also die von Paracelsus stammende Lehre von den vier Elementargeistern rezipiert, deren Hilfe der Magier zu beschwören versucht. Die Begrifflichkeit ist spezifisch paracelsisch; Curwen besitzt ja auch die Schriften des großen Arztes und Okkultisten. »Daemonia Coeli« meint »Dämonen des Himmels« (das Erste eine verballhornte griechische Form, das Zweite lateinisch). »God« ist schlicht das deutsche und englische »Gott/God«. Zu »Almonsin« ist mir nicht klar, ob das ohne Frage arabische Wort eine Variante zu »Almutin, Almuden« u.ä. sein könnte, was in der Astrologie den beherrschenden Planeten des Horoskops meint (den Hylech, wenn es um die Frage der erwarteten Lebensdauer einer Person geht)? »Almousin« steht öfters in anderen Zauberformeln. »Gibor« ist hebräisch »der Starke, der Held«. »Jehosua« ist hebräisches »Jehoschua« in der Schreibung der Renaissance, also der Eigenname Jesu. »Evam« ist wohl Eva (?), »veni, veni, veni« heißt natürlich »komm, komm, komm!«. Das Ganze ist ein Versuch, Gott und die Geister der Natur dem Willen des Magiers gefügig zu machen. Wie alle Magie ist auch diese »gespielte Freiheit« eine Allmachtsfantasie, in der Gott tun muss, was der Magier will. Auf die Erklärung einiger weiterer Details der Formel verzichte ich. Eliphas Levi nennt als Quelle die Grande Grimoire sowie den Dragon Rouge, zwei durchaus wohlbekannte frühneuzeitliche Zauberbücher, die in verschiedenen Fassungen umliefen und öfters (mit fiktiven Jahreszahlen) gedruckt wurden.
Das Zitat aus Borellus (gemeint ist der französische Arzt Pierre Borel, 1620–1689; die humanistenlateinische Form Borellus wurde von mehreren Schriftstellern des 17. Jahrhunderts benutzt), welches als Motto der Novelle vornean steht, kannte Lovecraft aus Cotton Mathers Magnalia Christi Americana (1702), einem von ihm hoch geschätzten Buch. Allerdings variiert er den Wortlaut etwas, um den Text archaischer klingen zu lassen. Lovecraft hatte sich den Abschnitt in seinem Commonplace Book unter Nr. 87 notiert, nach Lovecrafts eigener Datierung 1920, da diese Datierungen aber viel später von ihm hinzugesetzt wurden und notorisch fehlerhaft sind, wird man mit David E. Schultz eine Eintragung gegen Ende 1923 anzunehmen haben (die Gründe hierfür können hier nicht diskutiert werden).
Sehr merkwürdig ist die Vorgeschichte der Antwort (Yog-Sothoths, darf man vermuten), die Ward bei seiner Beschwörung Curwens und Curwen bei seiner Beschwörung vor seinem Tod erhält: »DIES MIES JESCHET BOENE DOESEF DOUVEMA ENITEMAUS«. Nach Lovecraft ist dies das »Fragment einer verschollenen Sprache«, und tatsächlich ist der Text aus den »Quellensprachen« der europäischen Magie (lateinisch, griechisch, hebräisch, aramäisch und arabisch) nicht übersetzbar. Wir wissen aber doch einiges über seine Vorgeschichte. Lovecraft selbst nennt ja den Renaissancephilosophen und Wiedererwecker des Neuplatonismus Pico della Mirandola (1463–1494) als Fundort (»what Mirandola had denounced in shudders as the ultimate horror among black magic’s incantations«). Das hat er aber mit einiger Sicherheit nur aus Eliphas Levi, der zwar Pico im angegebenen Kontext thematisiert, aber den Text eindeutig auf »die große Anrufung des Agrippa« zurückführt, also eines der Zauberbücher, die (fälschlich) unter dem Namen des Agrippa von Nettesheim umliefen. Der »echte« Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1486–1535), dessen drei Bücher De occulta philosophia (Erstfassung 1510, Endfassung 1533) das Hauptwerk der Renaissancemagie sind (vgl. meine Neuedition einer deutschen Fassung Wiesbaden 2008), hat die Wendung nicht. Ich kenne aber einen sehr frühen Beleg, nämlich bei dem kaiserlichen Arzt Georg Pictorius (ca.
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