Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
viel geheim zu halten, dass sie es nicht gewagt haben, die Polizei zu rufen. Ich habe sie fortgeschickt, aber Gott weiß, was sie – und andere Angehörige des Kultes – tun werden.
Eine Weile glaubte ich, mit mir sei jetzt alles in Ordnung, aber dann spürte ich das Zerren an meinem Gehirn. Ich wusste, was es war – ich hatte es nicht vergessen dürfen. Eine Seele wie die ihre – oder die Ephraims – ist halbwegs losgelöst vom Fleisch und existiert auch nach dem Tode weiter, solange der Körper nicht verwest. Sie erwischte mich – brachte mich dazu, den Körper mit ihr zu tauschen – ergriff Besitz von meinem Körper und steckte mich in diesen Leichnam, den ich im Keller verscharrt hatte .
Ich wusste, was kommt – deshalb bin ich durchgedreht und musste in die Irrenanstalt. Dann geschah es – ich befand mich eingesperrt in der Dunkelheit – in Asenaths verwesendem Kadaver da unten im Keller unter den Kisten, wo ich ihn hingetan hatte. Und ich wusste, sie musste in meinem Körper im Sanatorium sein – für immer, denn es war bereits nach Halloween, und die Opferung würde gelingen, auch wenn sie nicht selbst daran teilgenommen hatte. Sie war geistig gesund, zur Entlassung bereit, und eine Gefahr für die Welt. Ich war verzweifelt, und trotz allem habe ich mich freigebuddelt .
Ich bin bereits zu verfault, um zu sprechen – ich konnte nicht mit dir telefonieren –, aber ich kann noch schreiben. Ich werde mich irgendwie zurechtmachen, um diese letzte Botschaft und Warnung zu überbringen. Töte diesen Dämon, wenn dir etwas am Frieden und Wohlergehen der Welt gelegen ist. Sieh zu, dass er verbrannt wird . Tust du es nicht, so wird es immer weiterleben, auf ewig von Köper zu Körper wandern, und ich kann dir nicht sagen, was es will. Halte dich fern von schwarzer Magie, Dan, das ist das Geschäft des Teufels. Lebe wohl – du warst ein großartiger Freund. Erzähle der Polizei alles, was sie nur glaubt – und es tut mir unendlich leid, all dies auf dich zu laden. Ich werde bald meinen Frieden finden – diese Hülle wird bald auseinanderfallen. Hoffe, du kannst dies lesen. Und töte dieses Ding – töte es .
Dein Ed.«
Erst später las ich die letzte Hälfte dieses Schreibens, da ich am Ende des dritten Absatzes zusammengebrochen bin. Ich fiel erneut in Ohnmacht, als ich das sah und roch, was auf der Schwelle lag, wo es von der warmen Luft umweht worden war. Der Botschafter regte sich nicht mehr, hatte kein Bewusstsein mehr.
Der Butler, der härter gesotten ist als ich, fiel nicht in Ohnmacht, als er am Morgen sah, was in der Diele auf ihn wartete. Stattdessen rief er die Polizei an. Als die Beamten kamen, war ich schon nach oben ins Bett gebracht worden, doch die … fremde Masse … lag noch dort, wo sie in der Nacht vertrocknet war. Die Männer mussten sich Taschentücher vor die Nasen halten.
Was sie schließlich in Edwards sonderbar ausgesuchten Kleidern fanden, war größtenteils verflüssigtes Grauen. Sie fanden auch Knochen – und einen eingeschlagenen Schädel. Durch einige zahnärztliche Untersuchungen konnte er eindeutig identifiziert werden, er stammte von Asenath.
Vorwort zu »Der Schatten aus der Zeit« (The Shadow out of Time)
An schierer visionärer Kraft, an evokativer Energie dürfte diese letzte Novelle Lovecrafts kaum zu überbieten sein. ›The Shadow Out of Time‹ steht gleichrangig neben den größten Texten des Fantastischen. Hier wird die ganze Geschichte der Erde und des Sonnensystems zum Thema, Vergangenheit und Zukunft werden zu relativen Begriffen. ›The Shadow Out of Time‹ ist zugleich ein Wunschtraum, eine fantastische Selbsterfüllung einer faustischen Sehnsucht, wie sie nicht viele Menschen wirklich spüren. Sicher sind die meisten Menschen gelegentlich für einen Augenblick neugierig, wie es wohl weitergeht mit der Erde, was vor dem Menschen war und was nach dem Menschen sein wird. Aber hier wird dieses Wissen-Wollen zu einem Pathos, das seinen einzigen Ausweg und seine einzige Erfüllung in einer entfesselten Imagination findet.
›The Shadow Out of Time‹ ist Science Fiction, vor allem aber auch echte Utopie: Lovecraft schildert seine ideale Zivilisation. Viel hören wir von der Zukunft der Menschheit – und den beiden Zivilisationen, die ihrem Verschwinden folgen werden (ironisch inszeniert erst als eine Rasse intelligenter Käfer, schließlich eine Spinnenzivilisation). Zugleich wird ein gewaltiges, höchst unorthodoxes Panorama der Erdgeschichte
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