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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. P. Lovecraft
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die Menschen Verschwiegenheit gelehrt – Druck auf sie auszuüben war nicht notwendig. Zudem wussten sie wirklich nur sehr wenig; denn die weiten Salzsümpfe, so öde und menschenleer, halten die Nachbarn auf der landeinwärts gelegenen Seite von Innsmouth fern.
    Doch ich werde endlich das Schweigen über diese Vorfälle brechen. Die Maßnahmen, da bin ich mir sicher, waren so gründlich, dass der Öffentlichkeit außer Erschütterung und Abscheu kein Schaden erwachsen kann, wenn sie erfährt, was jene entsetzten Untersuchungsbeamten damals in Innsmouth aufspürten. Zudem könnte es für diese Entdeckungen vielleicht mehr als nur eine Erklärung geben. Ich erinnere mich nicht einmal mehr, wie viel von der Geschichte mir erzählt wurde, jedenfalls habe ich gute Gründe dafür, nicht tiefer zu schürfen. Denn meine Berührung mit dieser Angelegenheit war enger als die jedes anderen Privatmannes, und ich trug Eindrücke davon, die mich noch zu drastischen Maßnahmen treiben werden.
    Niemand anderer als ich war es, der in den frühen Morgenstunden des 16. Juli 1927 panisch aus Innsmouth floh und dessen verzweifelte Forderungen nach Untersuchung und Eingriff vonseiten der Regierung die berichteten Vorgänge in Bewegung brachten. Ich war nur zu gern bereit, Schweigen zu bewahren, da die ganze Angelegenheit noch neu und ungewiss war; doch nun, da es sich um eine alte Geschichte handelt und das Interesse und die Neugierde der Öffentlichkeit verebbt sind, verspüre ich ein merkwürdiges Verlangen, über die fürchterlichen Stunden in jenem übel beleumdeten und vom Bösen überschatteten Hafen des Todes und der gotteslästerlichen Abnormitäten im Flüsterton zu berichten. Das bloße Erzählen hilft mir dabei, das Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten wiederherzustellen und mich selbst zu vergewissern, dass ich nicht einfach nur der Erste war, der einer ansteckenden, albtraumhaften Sinnestäuschung erlegen ist. Es hilft mir außerdem dabei, Klarheit über den schrecklichen Schritt zu erlangen, der vor mir liegt.
    Ich hatte bis zu dem Tage, da ich es zum ersten und – bislang – letzten Male sah, noch nie etwas von Innsmouth gehört. Ich feierte meine gerade erlangte Volljährigkeit mit einer Reise durch Neuengland – als Tourist, Historiker und Ahnenforscher – und hatte geplant, geradewegs vom alten Newburyport nach Arkham zu fahren, weil die Familie meiner Mutter von dort stammt. Ich verfügte über kein Auto, sondern reiste mit Zug, Straßenbahn und Omnibus, wobei ich stets die preiswerteste Route wählte. In Newburyport sagte man mir, man käme am besten mit der Dampflokomotive nach Arkham, und als ich am Fahrkartenschalter des Bahnhofes gegen den hohen Preis Einwände erhob, erfuhr ich erstmals von Innsmouth. Der stämmige Verkäufer mit schlauem Gesichtsausdruck, dessen Sprache verriet, dass er kein Einheimischer war, schien meiner Sparsamkeit Verständnis entgegenzubringen und unterbreitete mir einen Vorschlag, den keiner meiner anderen Informanten mir gemacht hatte.
    »Sie könnten auch den alten Bus nehmen, vermute ich«, sagte er mit leichtem Zögern, »aber die Leute hier machen das eigentlich nich’. Er fährt über Innsmouth – davon haben Sie vielleicht schon gehört –, und deshalb mögen die Leute ihn nicht. Er wird von ’nem Burschen aus Innsmouth betrieben – Joe Sargent –, der kriegt aber nie Kunden von hier, in Arkham vermutlich auch nicht. Ein Wunder, dass er überhaupt noch fährt. Ist vermutlich ziemlich billig, ich hab aber nie mehr als zwei oder drei Leute drin gesehn – niemanden außer diesen Leuten aus Innsmouth. Er fährt am Marktplatz – vor Hammonds Drogerie – um zehn Uhr morgens und sieben Uhr abends ab, wenn sie die Zeiten nicht geändert haben. Sieht aus wie ’n furchtbarer Klapperkasten – ich bin nie damit gefahren.«
    So hörte ich zum ersten Male vom schattenhaften Innsmouth. Jeder Hinweis auf eine Stadt, die auf gewöhnlichen Karten und in neuen Reiseführern nicht verzeichnet ist, interessierte mich, und die sonderbare Weise, wie der Verkäufer auf sie anspielte, erweckte die Neugier in mir. Eine Stadt, die bei ihren Nachbarn eine derartige Abneigung hervorzurufen vermochte, so überlegte ich mir, musste zumindest recht ungewöhnlich und des Interesses eines Touristen würdig sein. Falls sie auf der Strecke vor Arkham lag, würde ich dort Halt machen – und so bat ich den Verkäufer darum, mir etwas darüber zu erzählen. Er war sehr bedächtig und sprach in einer

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