Chronik einer Trennung (German Edition)
Computer saß. Ihm würde er schreiben wie er sich fühlte.
Jedes Mal wenn er den Namen nun in seinen Gedanken hörte, war er so voller hass, wie selten in seinem Leben. Niemals war er glücklich in seinem Leben gewesen, doch Andreas hatte ihn ins tiefste Unglück gestürzt, aus dem er nicht mehr herauskommen würde, da war er sich sicher.
„Und du wunderst dich, dass ich keinem vertraue. Ich kann ja niemandem vertrauen, nicht einmal euch beiden, den Menschen denen ich, bis vor wenigen Stunden, als einzige vertraut habe.“
Wie sollte er den morgigen Tag überstehen, in der Schule? Zuhause würde er nicht bleiben, da war sein Vater. Seit dieser seine Arbeit verloren hatte, hing er den ganzen Tag zu Hause herum, guckte Fernsehen und kontrollierte seinen Sohn noch mehr als zuvor.
Er würde in die Schule gehen, aber das war zum ersten Mal kaum besser als zu Hause zu bleiben.
Er würde vor der Schule stehen bleiben und nicht hineingehen.
Neben der Schule gab es einen Friedhof, dort gehörte er hin, auf den Friedhof. Er war sowieso mehr tot als lebendig und vielleicht würden ihn die Toten zu sich holen, wie in diesem Horrorfilm, den er zusammen mit Maria geguckt hatte und bei dem sie behauptete, er hätte währenddessen angefangen zu schreien wie ein Mädchen.
Genau wie in diesem Film würden ihn die Toten zu sich holen. Er würde ewig auf diesem Friedhof warten, das war der Ort wo er hingehörte. So konnte er auch die Lebendigen nicht mehr enttäuschen und sie konnten ihn nicht mehr enttäuschen, wenn sie sich hinter seinem Rücken heimlich trafen. Dort auf dem Friedhof war es ihm egal, nicht wie jetzt, wo ihn jeder Gedanke an Maria Tränen in die Augen trieb.
„Solltet ihr mich suchen, warum auch immer, ich bin auf dem Friedhof. Ich werde die gesamte Frühstückspause und auch die Mittagspause auf dem Friedhof verbringen, also, wenn ihr irgendwas von mir wollt, kommt vorbei. Aber ich schätze ihr habt einander viel mehr zu sagen, als mir, und dabei möchte ich euch nicht stören.“
Und als dann Andreas endlich doch noch antwortete, war Christian etwas überrascht.
Er öffnete die E-Mail, mit dem Gefühl brechen zu müssen, vor Hass, ein Hass der schneller nicht verrauchen konnte, als er das geschriebene vor sich sah:
Andreas versuchte es ihm zu erklären, alles, die ganze Situation. Er hatte vorher nicht geantwortet, weil es auch ihm schlecht ging. Er fühlte sich schuldig, aber gab auch Christian eine Teilschuld an der Geschichte, weil dieser die voran gegangenen Monate unerträglich gewesen sei. Er hatte geschrieben, dass Maria ursprünglich nur zu ihm gegangen war, um mit ihm über Christian zu reden, weil sie ihm beide unbedingt helfen wollten. Was Maria und ihn betraf, wüsste er nicht, was er dazu sagen solle. Er wolle Christian nicht verletzen, aber wollte keine Garantie und keine Versprechen abgeben, die er nicht halten könne. Es tat ihm leid und er wolle trotz allem weiter mit Christian befreundet sein.
Und Christian wollte es auch, jetzt wieder. Er las diese Mail und hatte es nun verstanden:
Er war wirklich schuld, dass sie bei Andreas war. Sie wollten ihm beide helfen, doch ihm konnte niemand helfen, das wusste er.
Andreas hatte es so geschrieben, dass er es endlich verstanden hatte. Aber dieses Wissen, das Maria eigentlich nur bei Andreas war, weil sie überlegt hatten wie sie Christian helfen konnten, dass sie ihm immer noch weiter helfen wollten, änderte nichts daran, dass er verloren war und niemand mehr um sich haben wollte, den er enttäuschen konnte. Er wollte nur noch die Toten auf dem Friedhof um sich haben, für immer.
„Ich bin morgen auf dem Friedhof. Ich bin am Arsch, meine Seele ist am Arsch, mein Leben ist am Arsch. Alles ist am Arsch.
Ich habe Nichts mehr. S elbst meine Freunde habe ich vergrault. Ich habe alles voll versaut, ja, das weiß ich und ich hasse mich selbst dafür.
Am liebsten würde mich ernsthaft selbst irgendwo einsperren, in eine rosa Gummizelle mit einem kleinen Fensterchen.
Nichts ist mir mehr geblieben, selbst meine Beziehung habe ich verbockt und sie dazu getrieben, dass sie zu dir fährt, aus Verzweiflung über mich.
Es ist mir egal ob ich sterbe oder lebe. Es ist mir alles egal. Mein Leben hat keinen Sinn mehr.
Ich habe mir alles selbst zuzuschreiben, ich bekomme alles am Arsch.
Wo stehe ich jetzt? Ich stehe nicht am Abgrund, ich bin mitten im Abgrund, ich bin der Abgrund. Und niemand ist da, absolut niemand, niemand, der
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