Chroniken der Dunkelheit - 02 - Kristallschwert
zusammenfaltete. Er ergriff Cluarans ausgestreckte Hand und kletterte mit zittrigen Beinen auf den Boden hinunter. Trotz aller Vorbehalte gegen den Sänger in der Vergangenheit war er jetzt froh, ihn zu sehen und zu wissen, dass man ihn und Elsa nicht vergessen hatte.
»Habt Ihr uns wirklich gesucht? Aber woher wusstet Ihr, dass wir hier sein würden?«
»Es stand fest, dass der Drache euch zum Eigg Loki bringen würde.« Cluarans Gesicht war plötzlich ernst. »Mein Gefährte Ari vom Eisvolk hat mir geholfen, den Weg zu finden.« Sein Gefährte schlug die Kapuze zurück und nickte grüßend. Sein Gesicht war bleich wie Milch.
Der Sänger half auch Fritha und Cathbar herunter und Adrian stellte ihm Fritha vor. Das blonde Mädchen lächelte Cluaran dankbar an, doch Adrian merkte, dass sie vor Ari zurückwich.
»Wo ist Elsa?«, wollte Cluaran wissen. »Ist sie nicht bei euch?«
Adrians Freude beim Anblick des Sängers war schon wieder verflogen. »Taragor hat sie entführt!«, rief er unglücklich. »Deshalb sind wir hier. Wir glauben, dass er sie in seine Höhle gebracht hat.« Er blickte zu dem Spalt in der Bergflanke über ihnen hinauf, der schwarz in der Nachmittagssonne gähnte. »Wir sind mit dem Eisdrachen heruntergeflogen und wollen ihm jetzt folgen.«
Der blasse Ari betrachtete ihn mit unverhohlenem Staunen. »Du kannst Jokul-dreki befehlen!«, rief er.
»Ich muss Elsa einholen«, erwiderte Adrian. Er hatte es auf einmal wieder eilig. Dann merkte er, dass er schwankte, und stützte sich mit der Hand an dem Drachen ab. Er durfte jetzt auf keinen Fall schwach werden! »Kommt Ihr mit, Cluaran?«
»Wir kommen beide mit«, sagte Cluaran mit einem Blick auf Ari. »Aber nicht durch diese Höhle. Sie führt zu einer Wand, die senkrecht in die Tiefe abfällt. Nicht weit von hier führt ein Tunnel in den Berg, der zwar länger ist, aber auch sicherer. Kommt!«
Er nahm die Zügel seines Pferdes, führte es am Fuß des Berges entlang und winkte den anderen, ihm zu folgen. Adrian blieb trotz seiner Ungeduld noch einen Augenblick bei dem weißen Drachen stehen, der wie ein flacher Hügel mit einem gezackten Kamm im Schnee lag. Der Drache öffnete ein riesiges Auge und sah ihn an. Das Auge war grün wie Glas und so unergründlich wie das Meer.
»Danke«, sagte Adrian laut, ohne zu wissen, ob der Drache ihn hören würde. Du bist müde, fügte er in Gedanken hinzu. Ich auch. Aber du kannst jetzt schlafen.
Der Gletscherdrache betrachtete ihn einen langen Moment, dann schloss er das Auge und verlor sich in der Landschaft. Er sah wieder aus wie ein lang gestreckter Buckel aus Eis. Adrian wandte sich ab und rannte den anderen nach.
In einer Klamm am Fuß des Berges band Cluaran die beiden Pferde an. Dann versorgten er und Ari sie mit Futterbeuteln und Decken aus ihrem Gepäck. »Wasser haben wir leider nicht«, sagte Cluaran bedauernd, »aber wenigstens sind sie hier vor Taragor geschützt. Jetzt müssen wir uns beeilen.« Er wandte sich an Adrian. »Elsa wurde am Vormittag entführt, sagst du?«
»Die Sonne war eben erst über dem Gipfel aufgegangen«, erwiderte Adrian. Wie lange das schon her ist, dachte er. »Und sie und Eolande waren schon zur Hälfte unten …«
Cluaran legte ihm schwer die Hand auf den Arm. »Wer, sagtest du, hat Elsa begleitet?« Er klang plötzlich angespannt und sein Blick hatte sich verhärtet.
»Eolande«, stammelte Adrian. »Eine hochgewachsene Frau mit schwarzen Haaren. Wir begegneten ihr im Inneren des Berges. Sie sagte, sie kenne Euch. Sie … sie wollte uns zu Loki bringen.« Fritha neben ihm nickte.
Cluaran und Ari wechselten einen Blick. Sie schienen beunruhigt. Dann sprach Cluaran wieder. Aus seiner Stimme klang unterdrückte Wut.
»Ich bin ein Narr!«, schimpfte er leise. »Was hat er mit ihr angestellt?« Er wandte sich an die anderen. »Die Zeit drängt. Ich bringe euch jetzt in den Berg, doch ihr müsst hinter mir bleiben und tun, was ich sage, verstanden? Auch Ihr, Hauptmann Cathbar. Waffen können – mit einer Ausnahme – nichts gegen Loki ausrichten und Loki ist verschlagen. Er verdreht eure Gedanken …« Die Stimme versagte ihm und er verstummte. Schweigend folgten sie ihm durch das Geröll am Fuß des Berges.
Adrian dachte an die Worte des Sängers. Cluarans Stimme hatte so seltsam geklungen. Was wusste er über Eolande? Adrian hatte schon vorher den Verdacht gehabt, dass die Frau Elsa in Gefahr brachte. Wären sie Cluaran doch früher begegnet! Er hätte sie
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