Chroniken der Dunkelheit - 03 - Feuerkreis
treiben.«
Auf diese Neuigkeiten hin schien Elsas Schwäche wie verflogen. Sie wechselte einen Blick mit Adrian. Bestimmt dachte er dasselbe wie sie: Loki legt eine Spur für uns. Sie wollte sofort aufbrechen, aber Cluaran war dafür, bis zum nächsten Tag zu warten, dann könnten sie mit den heimkehrenden Händlern reisen und von ihnen erfahren, wo genau das Feuer ausgebrochen war.
Cathbar stimmte zu. »Die Händler kennen die Gegend«, gab er zu bedenken und verstaute das längliche Paket in seinem Ranzen. »Außerdem ist man hier auch ohne Loki zu mehreren sicherer.«
Sie brachen am nächsten Tag noch vor Morgengrauen zusammen mit den anderen Händlern auf, die in ihrer Herberge abgestiegen waren, und marschierten im Dunkeln zu der Straße, die zum Wald führte. Dort begrüßte der fränkische Händler sie und schloss sich ihnen an. Er heiße Menobert, sagte er, und wolle nach Süden bis ins Frankenreich. Dann fragte er sie nach ihrem Ziel.
»Wir wollen auch nach Süden«, sagte Cluaran nur, und Menobert nickte gutmütig und schien über die ausweichende Antwort nicht gekränkt.
Er war von stämmiger Statur, trug einen schwarzen Schnurrbart und hatte ein fröhliches und gesprächiges Wesen. Er erzählte von der Dürre und der schlechten Ernte des vergangenen Jahres, die in diesem Winter solche Not verursacht hätte. Er wäre daher nicht überrascht, wenn einige Bauern ihre Höfe verlassen hätten und zu Räubern geworden wären.
Elsa sah Cathbar grimmig nicken und den Sitz seines Schwerts überprüfen.
Sie folgten der großen Straße nach Süden. Sie war breit genug für Fuhrwerke, obwohl nur wenige sie benutzten. Tiefe Wagenspuren hatten sich in die vereiste Fahrbahn eingegraben, doch dann ging die Sonne auf und Schnee und Eis begannen zu schmelzen. Für Elsa, die so lange über Schnee gegangen war, fühlte sich der Matsch unter den Füßen wunderbar an. Sie kamen gut voran und sogar Eolande, die nicht über die Eisfelder hatte gehen wollen, ging hier bereitwillig zu Fuß. Von den Straßenräubern, von denen der Bauer gesprochen hatte, war zunächst nichts zu sehen, doch kurz vor Mittag stießen zwei Bäuerinnen zu ihnen, Schwestern, die aus Angst vor Überfällen gern in ihrer Gesellschaft weiterreisten. Sie hatten den grethari besucht, erzählten sie Elsa, den Wanderheiler, der in einem kleinen Dorf unmittelbar westlich der Straße Station machte, und in dem Dorf war es zu Plünderungen gekommen, die sich womöglich noch ausbreiteten. Offenbar hatte der Heiler Alebu noch vor ihrer Ankunft verlassen, dachte Elsa, und die vielen Pilger, die in den Herbergen abgestiegen waren und ihn zu sehen hofften, hatten die Reise umsonst gemacht. Ihre Wirtin hatte freilich gesagt, der Mann sei erst vor Kurzem in der Stadt eingetroffen.
»Er scheint sich nirgendwo lange aufzuhalten«, sagte sie.
»Das weiß ich nicht«, gestand die jüngere der beiden Frauen. »Aber wir haben erst gestern von einem Reisenden etwas über ihn gehört. Sein Name ist bereits bekannt. Er hat sich in Windeseile herumgesprochen.«
»Mit gutem Grund«, fiel die Schwester begeistert ein. »Er hat meine schmerzende Schulter geheilt, nur indem er die Hände darauflegte.«
»Was verlangt er dafür?«, fragte Cluaran trocken.
»Er nimmt kein Geld!« Die Frau klang entrüstet. »Er sagt, seine Gabe gehöre allen, er dürfe sich nicht daran bereichern. Er lässt sich zum Essen einladen, das ist alles.«
»Und er hätte zwanzig Mal so viel essen können, wenn er gewollt hätte«, ergänzte die Schwester. »So viele Leute standen an, um ihn zu sehen.«
»Einer von diesen Wanderheiligen, was?«, sagte Menobert verächtlich. »Mit Wundern handeln heutzutage viel zu viele. Sie machen schöne Worte und halten die Leute von der Arbeit ab, bis sie vergessen haben, was Arbeit überhaupt ist. Und dann gehen diese Leute ihrerseits auf Wanderschaft und leben von Almosen und bekehren weitere Faulenzer.«
»Er ist ganz anders!«, rief die Frau empört. »Ihr habt ihn nicht gesehen.«
»Ich kenne genug von der Sorte«, versetzte der Händler. »Ich könnte mich auf meinen Reisen täglich zu drei neuen Religionen bekehren.«
Die erste Frau hob in gespielter Resignation die Hände. »Manche Leute können eben keine Geschenke annehmen. Ich bin jedenfalls froh, dass es in schweren Zeiten wie den unsrigen Menschen wie den grethari gibt.«
Sie marschierten den ganzen Tag und machten nur gegen Mittag für eine kurze Mahlzeit neben der Straße Rast. Weitere
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