Chroniken der Dunkelheit - 03 - Feuerkreis
Plünderer waren bereits weiter östlich in Kent und Sussex gelandet und verbreiteten dort die Religion des Feuergottes. Eine Stichflamme stieg aus der Glut auf, und er wandte sich zurück, um sie zu löschen – und hielt entsetzt inne. In den Tiefen des Feuers regte sich etwas – eine bösartige, weiß glühende Kraft. Vor seinen Augen schlugen Flammen in die Höhe. Ein riesiger Mund öffnete sich brüllend und füllte den Raum mit einem Feuersturm, der Aagard zu Boden warf. Um ihn tobte das Feuer: Ich komme! Ich komme jetzt! Dann war es auch schon wieder verschwunden und das Tosen verklang in der Ferne.
Und hoch im Norden riss unter dem Eigg Loki die letzte Fessel. Der Drache erhob sich in die Lüfte und aus seinem Rachen drang ein Schrei der Wut und zugleich der Freude. Flammen umzüngelten ihn. Knisternd wie ein Blitz stieg er immer höher auf und wandte sich nach Süden. Dorthin hatte sein Herr ihn gerufen.
21. KAPITEL
Nach über zwei Tagen am Ruder war Adrian überzeugt, dass er Elsas Liebe zum Meer nie verstehen würde. Sie waren bei unruhiger See aufgebrochen und hatten vielen anderen Schiffen, vom Frachter mit fünfzig Ruderern bis zum kleinen Fischerboot, ausweichen müssen. Sämtliche Schiffe schienen nach Wessex unterwegs, und es waren so viele, dass Adrian an eine angreifende Flotte denken musste und wieder Angst um seine Mutter und ihre Leute bekam. Ein breites, hoch aufragendes Schiff war ihnen besonders nah gekommen und hatte sie fast gerammt. Die Ruderer hatten ihr ganzes Geschick aufbieten müssen, um nicht mit ihm zusammenzustoßen oder in seinem Kielwasser zu kentern. Verzweifelt hatten sie Wasser geschöpft und Cathbar hatte geflucht. Adrian hatte auf dem Segel des Schiffes ein Bild des Feuergottes entdeckt.
Danach hatte der Kapitän sie nach Süden gesteuert. Hinter ihnen verschwand der Küstenstreifen, und auf dem offenen Meer merkte Adrian auf einmal, wie müde er war. Die anderen Ruderer versuchten ihn zu entlasten – vor allem Fardi, der hinter ihm saß und sich als unerwartet kräftiger und geschickter Ruderer erwies –, doch Adrian wollte sich nicht helfen lassen. Bei Einbruch der Dämmerung waren seine Hände daher mit Blasen übersät und er war so erschöpft, dass er an nichts anderes mehr denken konnte als an Schlaf.
Am nächsten Tag hatte er sich wieder ein wenig erholt, doch jetzt legte sich der Wind und die Sonne brannte auf sie herab. Vor der Hitze gab es kein Entrinnen – genauso wenig wie vor einem Unwetter, dachte er, das wie schon einmal aus heiterem Himmel losbrechen konnte, oder vor einem angreifenden Drachen. Das Gefühl, ausgesetzt zu sein und beobachtet zu werden, bedrückte ihn, und er wagte nicht, den Kopf beim Rudern zu heben.
Am zweiten Abend war das Meer so still, dass sie die Ruder einholten, zwei Mann als Wache aufstellten und schliefen. Am nächsten Morgen war im Norden ein Streifen Land zu sehen. Dem Kapitän zufolge handelte es sich um die Insel Wiht.
»Bringt uns westlich der Insel an Land«, sagte Eolande. »Ich zeige Euch die genaue Stelle.«
Der Anblick der Küste belebte Adrians Lebensgeister. Eolande lotste sie in eine Bucht, in der sie sicher landen konnten. Adrian war so erleichtert, dass seine Hände am Ruder zitterten und er weiche Knie bekam, als sie scharrend den Kiesstrand hinauffuhren.
Sie sprangen ins Wasser und zogen das Boot vollends ans Ufer. Plötzlich schrie Eolande und zeigte den Strand hinauf. Dort standen nur hundert Meter entfernt zwei kleine Gestalten: ein schmächtig wirkender Mann und ein schwarzhaariges Mädchen.
»Elsa!«
Adrian hatte all seine Müdigkeit vergessen und rannte über den Kies. Elsa war beim Klang seiner Stimme zusammengezuckt, dann rannte sie ihm mit einem Freudenschrei entgegen. Sie umarmte ihn stürmisch. Dabei sah er, dass ihre Hände geheilt waren.
»Wie schön, dass du da bist«, keuchte sie. Sie hielten einander umschlungen. »Und sind das hinter dir Cathbar und Eolande?«
Adrian nickte. »Wo bist du mit Cluaran gewesen? Und wie bist du so schnell hierhergekommen? Ich hätte nie gedacht …«
Er brach ab, denn Elsas Gesicht war erstarrt. Sie ließ ihn unvermittelt los, senkte die Hände und starrte wie von Grauen überwältigt auf das Boot.
»Elsa?«, fragte Adrian zögernd. »Was ist?«
Sie schien ihn nicht zu hören. Ganz langsam, als traue sie ihren Beinen nicht, ging sie an ihm vorbei auf die Männer zu, die das Boot am Strand vertäuten.
Einer von ihnen hatte sich von den anderen
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