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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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Obsidian und Quecksilber glänzten.
    Jack saß immer noch auf der Couch, aber statt des Knochens hielt er einen Becher in der Hand. Er und Mary sahen sich die Nachrichten an. Etwas in ihren Gesichtern machte mir Angst, eine eiskalte Angst, die bis in die Knochen reichte. Rohw und Aaz hockten dicht beieinander und glotzten ebenfalls auf die Mattscheibe.
    »… wie gerade gemeldet wird, wurde ein Greyhound-Bus, der sich auf dem Weg von Portland nach Seattle befand, kurz hinter Astoria am Rand der Interstate 5 gefunden. Der Bus hatte sich überschlagen. Erste Augenzeugen beschreiben die Szenerie als grauenerregend. Alle Passagiere wurden für tot erklärt.«
    Ich hörte Schreie aus dem Fernseher, ungläubiges Raunen, Schmerzenslaute. Ich hörte auch Rufe und dann die zitternde Stimme eines Mannes wiederholen: »O Gott, o mein Gott.«
    Dann stellte Jack den Ton ab und legte die Fernbedienung zurück.
    »Tot«, sagte er und sah mich zum ersten Mal an, seit wir angekommen waren. Sein knapper Blick huschte über Grant zur Botin hinüber und dann zurück zu mir. »Sicher. Aber irgendjemand lügt, was den Rest betrifft.«
    »Busunglücke können passieren«, flüsterte ich, als sich Dek
schwer um meine Schultern legte. Ich schaute mich nach Mal um und fand ihn bei Grant. Er hatte sich um den Hals des Mannes geschlungen.
    »Die Mahatis sind auf Jagd«, schnarrte Zee und schloss die Augen, als lausche er nach etwas weit Entferntem.
    »Ein ganzer Trupp. Und Ha’an ist der Anführer.«
    Ich schloss meine Augen und atmete tief ein. »Jack, hast du gefunden, was du gesucht hast?«
    »Ja«, antwortete er ruhig.
    Ich angelte nach Grants Hand. »Erzähl ihnen, was sie wissen müssen.«
    »Das ist nicht so einfach.«
    »Dann mach es einfach«, gab ich zurück. »Die Zeit läuft uns davon.«
    Grant zog mich an sich heran. An seiner Brust hing Mal halb herunter. »Was tust du?«
    »Ich trete auf die Bremse.« Ich drückte seine Hand und warf der Botin einen Blick zu. Wir wechselten keine Worte … nur diese kalten, leeren Augen und der verkniffene Mund schienen zu mir zu sprechen.
    Ich ging in die Leere zurück, mit dem Bild Ha’ans vor meinem inneren Auge.
    Ich fand mich in einem Wald wieder, der dem Wald ähnelte, in dem der Schleier geöffnet worden war. Die Luft war kalt und feucht und der Boden unter den Füßen weich. Ich hörte das Rauschen eines Flusses, das aber von Gesang übertönt wurde. Es war eine tiefe Stimme, die die Worte verband – zu Melodien. Dek stimmte mit ein, ganz leise in seiner hohen, süßen Stimmlage. Alle waren um mich herum, die Jungs kauerten ganz in meiner Nähe, ihre roten Augen glitzerten. Wehmutsvoll, stellte ich fest. Voller Erinnerungen.

    Ich hätte mich genauso gut in einer Kathedrale befinden und einem Mönch zuhören können. Unter meinem Herzen streckte sich die Finsternis aus, ihre Windungen rieben sich aneinander und erzeugten ein spektrales Zischen, das mir bis ins Knochenmark fuhr. Ich suchte meine Verbindung zu Grant und fand sie sofort: warm und von der Sonne beschienen. Darauf konzentrierte ich mich und hielt mich daran fest.
    Vergiss nicht, du könntest vieles besitzen, an einem anderen Ort , sagte die Finsternis in meinem Geist.
    Ich ignorierte die Stimme jedoch, ließ die Bäume hinter mir und fand die Mahati.
    Ich zählte acht von ihnen, ohne Lord Ha’an mitzurechnen. Die Dämonen hatten sich entspannt in einem lockeren Kreis zusammengesetzt. Vor ihnen lag eine kunterbunte Sammlung menschlicher Gliedmaßen. Ich roch Blut und hörte das Knacken zerbrechender Knochen. Feuchtes Schmatzen. Mein Magen rebellierte, aber ich würgte es hinunter und riss mich zusammen.
    Ha’an war der einzige Dämon, der nichts aß, und auch der Einzige von ihnen, der sang. Seine Stimme klang wie ein dunkles Rauschen und kollidierte mit den Geräuschen des Wildbachs in der Ferne. Er kniete mit weit gespreizten Oberschenkeln, während seine von Metall überzogenen Finger auf muskulösen, silbrigen Schenkeln ruhten.
    Er sah mich noch vor den anderen, hörte aber nicht auf zu singen. Seine Augen folgten meinen Bewegungen und weiteten sich kaum merklich, als er die Jungs entdeckte.
    Einer nach dem anderen beendeten die Mahati das Essen und schauten auf. Als sie mich sahen, durchlief es sie wie eine Woge. Es schmeckte nach Furcht, was mir eine kleine, wohlige Gänsehaut bescherte.

    Mich … oder die Finsternis, die in mir den Kiefer aufzusperren schien, der zusammengerollte Geist, der mich vom Haarbalg bis

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