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Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
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genauso wie ich wusste, dass sie alles, was ich liebte, zerstören würde, falls ich jemals zu schwach werden mochte, um sie in mir zu behalten. Vielleicht würde sie sogar diese Welt zerstören.
    So wie meine Ahnin es auch fast getan hätte.
    Ich schloss die Augen, kümmerte mich nicht mehr um das, was um mich herum geschah, sondern konzentrierte mich ganz auf mein Herz, darauf, die Reifung zu drosseln, das Pochen der Trommeln, die in meinen Eingeweiden schlugen, wo sich ein Wesen entfaltete – wie ein großer Wurm aus endloser Nacht, der sich wie ein Schmetterling in seiner – meiner – Larvenhaut streckte und dehnte.
    Meine Muskeln und Knochen wurden wärmer, quecksilberleicht, und in meine Venen ergoss sich ein Feuer, das meinem Herzen einen wilden Schrei zu entlocken schien. Ich wollte ja
auch schreien, aber alles, was ich tun konnte, war: zu würgen und noch mehr zu würgen … die Gier runterzuschlucken.
    Nein! , sagte ich zu dem Wesen und kämpfte darum, die Oberhand zu behalten. Ich war ängstlich und erschrocken und wurde daran erinnert, wie es sich für einen Menschen anfühlen musste, wenn etwas von ihm Besitz ergriff.
    Nicht jetzt. Nicht hier.
    Der Zombie mit dem Baby machte einen Schritt nach vorn. Das Kind wimmerte und schluchzte weinend. Es hatte keine dunkle Aura über seinem Kopf. Seine Mutter war eine Teufelin, die mit einer Waffe auf meinen Kopf zielte. Mama-Blut bellte aus der Deckung einen Befehl. Das rechte Auge des Zombies zuckte, er verzog enttäuscht den Mund, senkte aber die Waffe und machte sich davon, vorbei an den besessenen Männern und Frauen, die sich die verbrannten Hände auf die Brust drückten.
    Wahrscheinlich wären die meisten Dämonen inzwischen aus ihren Wirten ausgefahren, aber diese hier waren hartnäckig. Wegen ihrer Königin. Aber sobald sie verschwand, würden diese menschlichen Wirte wie ein Paar alter Socken abgelegt werden. Und wir würden mit Kopfschmerzen zurückbleiben und mit Handflächen, die wie verbrannte Hamburger aussahen.
    Mama-Blut stöckelte auf ihren roten Absätzen an ihren Zombiekindern vorbei. Sie grinste verschlagen. Aber als sie mir in die Augen blickte, erstarrte sie, und ihr Lächeln fiel ihr förmlich aus dem Gesicht. »Du bist nicht du selbst«, sagte sie, und die Menschenhaut, die sie umhüllte, schien unter der Macht ihrer Inbesitznahme zu verwelken. Fleisch sickerte in Körperrundungen, während die Schatten an ihren Knochen tiefer und härter wurden.
    »Vielleicht will ich es ja gar nicht sein«, antwortete ich. Ich
konnte kaum sprechen und zitterte unkontrolliert, als sich das Ding in mir weiter entfaltete und meine Gier stärker wurde. Es war ein entsetzlicher Hunger, aber keiner auf Nahrung, sondern auf alles, das ich kannte, außer auf den Funken, der das Leben ausmachte, der am Grunde eines Herzschlags brannte. Oder in der Tiefe eines Gedankens.
    »Hurenlady«, hörte ich mich sagen, zwei Worte, die nicht von mir stammten. Ich hatte sie nicht gedacht, ich kannte sie nicht einmal, und die Stimme, die sie aussprach, schien nicht mir zu gehören.
    Mama-Blut jedoch fuhr zusammen, ihre Finger zuckten, und ein schrecklicher Ausdruck mischte sich in ihren Blick. Vielleicht war es Angst, vielleicht auch Entsetzen. Sie hätte fast den Kopf gesenkt, ich bemerkte, dass nicht viel fehlte. Doch dann versteifte sich ihre Wirbelsäule, ihre Aura flammte auf, und sie straffte sich erneut.
    »Sogar du, Träumer, weißt, was ein Versprechen bedeutet.« Sie presste jedes Wort einzeln zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen hervor. Sie sprach mich zwar an, redete aber nicht wirklich mit mir . »Du wirst mich nicht mehr benutzen. Jetzt nicht, und niemals mehr .«
    Niemals , echote eine sanfte Stimme in meinem Kopf, voller Abscheu und Verachtung und jener unstillbaren Gier.
    Ich schloss die Augen, umfasste mit der Linken meine rechte Hand und presste die Finger gegen die Rüstung. Ich dachte an gute Dinge, an Sachen, die ich liebte, an meine Mutter, an Jack, an Zee und die Jungs. Ich dachte auch an Sonnenuntergänge, an weite Landstraßen und den Sternenhimmel. Und ich spürte, wie ein goldener Faden an meinem Herzen zog, weiter und immer weiter. Ich dachte an Grant … obwohl ich es gar nicht wollte.
    Langsam, ganz allmählich, wich die Düsternis.

    Ich atmete aus und öffnete wieder die Augen.
    Die Luft in der Bar war zu klar. Sie schimmerte bläulich, als wenn Luft eine Farbe haben könnte, und sogar die Schatten der Tische schienen an ihren

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