Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Jägerin 3

Chroniken der Jägerin 3

Titel: Chroniken der Jägerin 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Liu
Vom Netzwerk:
Knöchel seiner anderen Hand und bekreuzigte sich. Dann küsste er meinen Scheitel und zog mich näher an sich heran. »Das Leben ist zu kurz, um es mit Weglaufen zu vergeuden. Ich lasse dich nicht allein.«
    Ich schluckte schwer und taumelte. »Ich bin aber nicht diejenige, die sterben kann.«
    »Dann erklär mir doch mal, warum du mir immer erzählst, dass ich dich überleben werde?« Grant strich mit seinem Daumen über meinen Mund. »Du und ich, Maxine.«
    Ich griff ihn vorn an seinem Hemd, stellte mich auf die Zehenspitzen
und küsste ihn fest auf den Mund. Er schmeckte heiß und süß, vertraut und doch neu, und die Finsternis regte sich noch ein wenig mehr, wuchs und entfaltete sich unter meiner Haut. Ich konnte es vor mir sehen, rings um den zweiten goldenen Puls, der mein Herz umgab, einen Puls, der Grant gehörte.
    Unsere Verbindung , erinnerte ich mich, das war eine Verbindung, die uns bis tief in unsere Seelen zusammenhielt. Ich fühlte unser Band und ihn, der mich wie ein Feuer durchlief, als lebte die Sonne in meinem Herzen. Ich fragte mich, wie es möglich war, überhaupt irgendetwas an diesem Mann zu vergessen.
    Die Botin hatte Verbindungen zu Menschen geschaffen, um ihnen ihre Energie zu stehlen. Grant brauchte ebenfalls eine Energiequelle, wenn er seine Gabe nutzen wollte. Aber er musste sie nicht stehlen. Von mir nicht.
    Zwei Herzen leben , dachte ich, hielt ihn noch ein bisschen fester und grub meine Finger in seine Schultern.
    Grant bekam eine Gänsehaut und murmelte ganz dicht an meinem Mund. »Das werden wir schon schaffen.«
    Ich nahm eine Bewegung über unseren Köpfen wahr, dann ließen wir uns los. Zee wühlte sich gegen meine Haut. Die Jungs schrien im Schlaf. Die Finsternis rührte sich wieder, aber ich drückte sie nicht weg.
    In meinem Kopf öffnete sich ein einzelnes Auge – ihr Auge  –, und ich dachte: Ja, dieses Mal brauche ich dich.
    Sie brauchen dich , sagte diese verführerische Stimme, ein Zischen in meinem Kopf, wie ein Gedanke, der zwischen Traum und Erwachen gefangen war. Du hast dich in all diesen blutigen Knochen und kriegerischen Herzen verheddert. Deine Knoten führen bis in den Tod hinab, bis in die endlose Nacht.

    »Nein«, sagte ich laut. Grant warf mir einen kurzen Blick zu. Körper fielen aus dem Spalt im Himmel. Mein Herz schlug mir bis in die Kehle, als stülpte ich mich von innen nach außen und drehte und drehte mich dabei.
    Ich zählte Dutzende, hundert vielleicht, die durch den Himmel flogen, eine Wolke aus silbrigen Leibern, die wie blasse Gespenster durch den Nebel fielen. Es war, als wäre ich nicht ganz bei mir selbst, während ich versuchte, die fremdartigen Einzelheiten dieser Wesen einzuordnen – langgezogene, nackte Gliedmaßen, wehende Haare, menschenähnliche, maskuline Körper. Schließlich kamen sie näher, und ich erkannte die Löcher ihrer Augen; und noch näher, ich sah die scharfen Konturen ihrer Gesichter, bis sie direkt vor uns so hart auf dem Boden landeten, dass die Erde bebte. Einige fegten durch die Koniferen und zerbrachen die Äste, doch keiner der Dämonen fiel. Sie landeten einfach, so leicht wie Luft, auf dem Boden und gesellten sich zu ihren Brüdern.
    Grant schob sich an mir vorbei, stellte sich hinter mich und behielt diejenigen im Auge, die in unserem Rücken landeten. Meine Wirbelsäule und meine Brust fingen an zu vibrieren, als hätte jemand eine Stimmgabel zwischen meine Schulterblätter gesteckt. Grants Stimme brummte so tief, dass ich sie nur fühlen konnte. Ich streckte meine Hand aus, die Rüstung schimmerte, weiß glühend und blendend – bis ich ein Schwert in meiner Hand hielt.
    Ich kannte die Waffe. Sie war eine Verlängerung der Rüstung selbst. Eine Kette führte von ihrem Knauf zu meinem Handgelenk und war genauso zierlich wie die lange, schlanke Klinge, in die Runen eingraviert waren. Das Metall strahlte aus seinem Inneren heraus, Mondlicht, Sternenlicht, Eislicht, und als ich mit meinem Daumen über die Schneide strich, flogen
Funken. Es fühlte sich gut an, dieses Schwert zu halten. Besser und sicherer.
    Ich zwang mich zu atmen, langsam und tief, und dachte an meine Mutter. Meine furchtlose Mutter.
    Sie hätte diese Bastarde zum Frühstück verspeist. Du kannst sie zum Mittagessen haben.
    Es waren aber so viele. Blass und grau wie der Tod, mit silbernem Haar, das teils in stachligen Dornen in die Höhe stand, teils in langen, geknoteten Zöpfen herabfiel. Sie waren drahtig, ausgemergelt und mit kaum mehr

Weitere Kostenlose Bücher