Chroniken der Schattenjäger 2 - Clockwork Prince
abgeworfen hatte, befand sich in akuter Gefahr, von der tobenden Maschine zertrampelt zu werden.
Tessa holte tief Luft und stürmte dann quer durch die Halle zu Charlotte. Rasch kniete sie sich neben sie und drückte ihr einen Finger an die Kehle - Charlotte hatte noch immer einen Puls, wenn auch schwach. Entschlossen schob Tessa die Hände unter Charlottes Arme und zog sie in Richtung Wand, weg aus der Mitte der Lagerhalle, wo der Automat sich wie verrückt drehte und Funken sprühte im Versuch, mit seinen Klauen nach Will und Jem zu schlagen. Doch die beiden waren viel zu schnell für ihn.
Behutsam legte Tessa Charlottes reglosen Körper zwischen die Jutesäcke voller Tee und warf einen Blick durch die Halle, um einen Weg zu finden, der sie möglichst schnell zu Henry brachte. Nate sprang wie von der Tarantel gestochen hin und her und brüllte fluchend auf die Kreatur ein, woraufhin Will eines der Hörner mit einem Hieb abtrennte und nach Tessas Bruder warf. Das Horn titschte Funken sprühend über die Holzdielen und Nate sprang erschrocken zurück, was Will mit einem Lachen quittierte. In der Zwischenzeit klammerte Jem sich an den Hals der Kreatur und fummelte daran herum; allerdings konnte Tessa nicht erkennen, was er machte. Der Automat drehte sich weiterhin im Kreis und versuchte, sich zu wehren, aber seine Arme waren so konstruiert, dass er nur Dinge greifen konnte, die sich vor ihm befanden. Er war nicht in der Lage, sie zum Hals oder Nacken zu führen.
Der Anblick hätte Tessa beinahe laut auflachen lassen. Will und Jem waren wie zwei Mäuse, die blitzschnell am Körper einer Katze auf und ab kletterten und diese zur Raserei brachten. Doch so sehr die beiden Schattenjäger auch mit ihren Waffen auf den Automaten einschlugen, konnten sie dennoch kaum etwas ausrichten. Denn ihre Klingen, die normalerweise durch Eisen und Stahl gingen wie durch Butter, hinterließen nur Dellen und Kratzer auf der Oberfläche der Metallkreatur.
Unterdessen schrie und fluchte Nate wie wild. »Schüttle sie ab!«, brüllte er dem Automaten zu. »Schüttle sie ab, du dämliches Monster!«
Der Automat hielt einen Moment inne und begann dann, sich heftig zu schütteln. Will rutschte ab und konnte sich in letzter Sekunde am Hals der Kreatur festhalten, während Jem weniger Glück hatte: Er stieß seinen Stockdegen nach vorn, als wollte er dem Automaten die Waffe in den Korpus rammen, um seinen Sturz abzufangen, aber die Klinge glitt spurlos an der Metalloberfläche ab. Jem stürzte kopfüber zu Boden, wo er einen Moment liegen blieb, ein Bein in einem seltsamen Winkel unter dem Körper eingeklemmt.
»James!«, brüllte Will.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht rappelte Jem sich auf und tastete nach der Stele an seinem Gürtel, doch der Automat schien seine Schwäche zu erkennen und stürmte mit ausgestreckten Klauen auf ihn zu. Taumelnd wich Jem ein paar Schritte zurück und fischte hastig einen glatten, rechteckigen Gegenstand aus seiner Tasche: das Metallgerät, das Henry ihm in der Bibliothek gegeben hatte. Jem holte aus, um das Gerät zu werfen - aber plötzlich war Nate hinter ihm und trat ihm mit Wucht gegen das verletzte, sehr wahrscheinlich gebrochene Bein. Obwohl Jem keinen Laut von sich gab, knickte sein Bein mit einem hässlichen Knacken unter ihm weg: Er schlug ein zweites Mal auf dem Boden auf und das Gerät glitt ihm aus der Hand.
Tessa, die neben Charlotte gekauert hatte, sprang auf und stürmte darauf zu - im selben Moment wie Nate. Sie prallten gegeneinander, aber das höhere Gewicht ihres Bruders und seine Körpergröße bewirkten, dass Tessa das Gleichgewicht verlor. Sofort rollte sie sich ab, so wie Gabriel ihr es während des Trainings beigebracht hatte, aber trotzdem ließ der Aufprall sie nach Luft schnappen. Mit zitternden Fingern tastete sie nach dem Gerät, doch es rutschte weg. Wie aus der Ferne hörte sie Will ihren Namen brüllen - er wollte, dass sie ihm das Gerät zuwarf. Angestrengt streckte Tessa die Hand noch weiter aus, bis sich ihre Finger um den Metallgegenstand schlossen - aber dann erwischte Nate sie an einem Bein und zog sie unerbittlich zu sich heran.
Er ist größer als ich. Stärker als ich. Skrupelloser als ich, überlegte Tessa fieberhaft. Aber es gibt etwas, das ich kann, und er nicht.
Im nächsten Moment verwandelte sie sich.
Ihr Verstand konzentrierte sich auf die Hand an ihrem Fußgelenk, wo kalte Finger ihre nackte Haut berührten. Tessa tastete nach der inhärenten Person, nach
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