Chroniken der Schattenkrieger (German Edition)
Verhältnis zwischen ihnen sehr nah, fast brüderlich gewesen, und
nun mussten sie sich voneinander trennen. Noch schmerzhafter war jedoch die
Gewissheit, dass sie sich nie wieder begegnen würden.
Seinem
Freund hinterherschauend, erblickte Nathael zum letzten Mal das grausame
Gemetzel, das sich in nicht allzu weiter Entfernung von ihm abspielte. Mit
langsamen Schritten betrat er, in Gedanken versunken, rückwärts die Halle, die er
vor Kurzem verlassen hatte.
Die
Wächter verriegelten das Tor hinter ihm.
Einen
Augenblick lang betrachtete er noch mit leerem Blick das massive Holz, bis er
durch einen Ruf aus seinen Gedanken gerissen wurde.
„Herr!? …
Herr!?“ Es war der junge Aragon, der nach ihm rief.
„Was
machen Sie hier? Was ist geschehen?“
„Sie
haben soeben die linke Flanke durchbrochen. So wie es aussieht, werden sie
schneller als erwartet am Tor eintreffen. Sie sind einfach in Überzahl. Wir
müssen verschwinden!“
Nathael
verriegelte die Tür zusätzlich mit einem dafür vorgesehenen Holzbalken von
innen.
Aragon
und die anderen beiden Jünglinge standen mit offenem Mund und gezücktem Schwert
vor der Königin und hörten ihrem Anführer zu.
„Wohin
gehen wir, mein Herr?“, mischte sich Elias in das Gespräch der beiden ein.
„So
weit es geht. Wir werden die Königin in Sicherheit bringen und unserem Schwur gemeinsam
Folge leisten.“ Nun schlossen sich die Kiefer der drei Soldaten und sie
streckten instinktiv und voller Stolz ihre Brust heraus.
Nathael
schritt zu der Königin und ging vor ihr auf die Knie.
„Verzeihen
Sie mir die Unannehmlichkeiten, die ich Ihnen bereiten werde, Euer Gnaden!“
„Stehen
Sie bitte auf. Das Thema hatten wir doch schon einmal, Soldat!“ Sie schaute ihn
mit einem mitleidenden Gesichtsausdruck an, denn die Sorgen, die sein junges
Gemüt bedrückten, waren ihm ins Gesicht gemeißelt.
Mittlerweile
kam das Kriegsgeschrei immer näher. Es musste schnell gehandelt werden.
„Wir
müssen nach oben. Zum Turm!“
Aaron
und Elias gingen vor. In der Mitte folgte Lothaire und hinter ihr Nathael und Aragon.
Auch wenn sich noch keine Feinde im Palast befanden, musste trotzdem an die
Sicherheit ihres Schützlings gedacht werden.
Der
Aussichtsturm diente einst nur einem Vergnügungszweck. Er wurde von Zeit zu
Zeit von den Angehörigen der Königsfamilie oder von den Gästen des Palastes
besucht, um die Aussicht zu genießen, die sich ihnen von dort oben bot.
Heute
war er der letzte Rettungsweg.
Um
nach oben zu gelangen, musste man den mühsamen Aufstieg über die steinerne Wendeltreppe
auf sich nehmen. Es mussten mehr als zweihundert Stufen bezwungen werden, und
genau diese Herausforderung stand den fünf Flüchtlingen bevor.
Nach
den ersten paar Schritten drehte sich Nathael noch einmal um und schaute zum
Eingang. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
„Schneller,
verdammt! Lauft!“
Jetzt
war das Kampfgeschrei, dessen Quelle sich sehr nah am Tor befand, viel
deutlicher zu vernehmen. Die beiden Torwächter taten ihr Bestes.
Das
ohrenbetäubende Klirren des blanken Metalls drang sogar durch die dicken Balken
hindurch und breitete sich in den leeren Hallen aus.
Mehrere
dumpfe Schläge gegen das Tor ließen Nathael das Blut in den Adern gefrieren. So
wie es aussah, befanden sich die beiden Wächter in großer Bedrängnis.
Einen
kurzen Augenblick später ertönten zwei herzzerreißende Schreie am anderen Ende
des Tores.
Es
war vorbei!
Die
allerletzte Verteidigungslinie war durchbrochen.
Nathael
trat einen Schritt zurück und stolperte fast gegen Aragon, der die ganze Zeit
leise hinter ihm gestanden und alles mit angehört hatte.
„Was
zum Teufel machst du hier noch? Los! Verschwinde! Ich komme gleich nach.“
„Aber
…“
„Nichts
aber. Das ist ein Befehl, Soldat!“
Sogleich
machte sich Aragon auf den Weg und holte die anderen nach wenigen Minuten ein.
Ein
Fünftel des Aufstiegs war geschafft.
Nathael
wandte sich wieder dem Tor zu. Sein Herzschlag beschleunigte sich von Sekunde
zu Sekunde. Ihm war bewusst, dass die Gegner große Mühe haben würden, das Tor
zu durchbrechen, aber er musste trotzdem auf alles gefasst sein.
Minuten
vergingen.
Die
immer wiederkehrenden dumpfen Laute ließen ihn vermuten, dass das Tor von der
anderen Seite mit etwas Schwerem bearbeitet wurde.
Nun
bewegte sich schon der erste Balken mit einem müden Ächzen.
Nathaels
rechte Hand glitt langsam an seiner Hüfte entlang. An dem ledernen Gürtel, der
sie
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